Zwei BVB-Gesichter: Vier Beobachtungen beim Sieg in Lissabon
Borussia Dortmund überrascht mit einer herausragenden zweiten Hälfte und erspielt sich bei Sporting Lissabon eine starke Ausgangsposition. Das 3:0 muss dem BVB Auftrieb geben – und nicht nur für das Rückspiel in einer Woche im heimischen Signal Iduna Park.
![Serhou Guirassy erzielte das 2:0](https://assets-de.imgfoot.com/media/cache/642x382/dpaphotosseven906630.jpg)
Den beiden Kontrahenten war von Beginn an anzumerken, dass sie ohne viel Rückenwind aus vergangenen Erfolgserlebnissen im Estádio José Alvalade zu den Champions League-Playoffs antraten. Sporting setzte nach dem Abschied von Trainer Rúben Amorim unter Nachfolger João Pereira zum sportlichen Sinkflug an. Bereits vor dem Jahreswechsel übernahm mit Rui Borges bereits der dritte Trainer in dieser Saison und brachte zumindest in der Liga wieder den Erfolg zurück.
Richtig begeistern konnten die Leões in den vergangenen Wochen aber nicht. Gegen Borussia Dortmund musste der Gastgeber zudem zunächst auf den angeschlagenen Topstürmer Viktor Gyökeres sowie den gesperrten Kapitän Morten Hjulmand verzichten. Vor allem das Fehlen des dänischen Mittelfeldspielers hemmte den Spielaufbau der Hausherren. Der BVB hatte jedoch seinerseits kaum Interesse an gesteigerter Spielkontrolle und so entwickelte sich eine extrem abwartende Partie.
Sporting wagte sich mit dem Lattenkracher von Maxi Araújo (15.) das erste Mal aus der Deckung, wurde aber auch durch eine völlig körperlose und passive BVB-Defensive geradezu zur ersten Chance eingeladen. Für die Portugiesen eine Art Initialzündung, die immer wieder Druckphasen aufbauen konnten. Vor allem Gyökeres-Vertreter Conrad Harder hatte seine Momente, Gregor Kobel hielt seinen Kasten aber sauber.
BVB komplett verändert in Durchgang zwei
In der Halbzeitpause fand Kovac aber offenbar die richtigen Worte. Der BVB kam deutlich engagierter und dominanter aus der Kabine, machte vieles besser als in den ersten 45 Minuten. In der 55. Minute sendete Karim Adeyemi mit einem starken Schuss das erste Lebenszeichen. Fünf Zeigerumdrehungen später, als das Stadion gerade die Einwechslung von Gyökeres feierte, traf Serhou Guirassy zur Führung. Die Schwarz-Gelben ließen aber dieses Mal nicht locker. Pascal Groß erhöhte auf 2:0, Karim Adeyemi besorgte mit seinem 3:0 eine starke Ausgangssituation für das Rückspiel kommende Woche.
Vier Beobachtungen:
Kovac klappt die Visiere hoch
War die gesamte erste Hälfte von einem mutlosen, risikoarmen und extrem passiven Auftreten bestimmt, machte der BVB mit Anpfiff zur zweiten Hälfte vieles, wenn nicht alles, besser. Kovac stellte offenbar in der Kabine die Ampel voll auf grün und ließ seine Mannschaft deutlich aktiver und mutiger auftreten. Die Folge war ein aggressives Gegenpressing, mit dem Sporting überhaupt nicht zurechtkam. Die Dortmunder übernahmen dadurch die Spielkontrolle und erzielten in weniger als zehn Minuten zwei Tore, was Sporting komplett den Stecker zog. Ein auf Vorsicht bedachtes Auftreten ist für ein Hinspiel auf fremdem Rasen in der K.o.-Phase mit Sicherheit keine gänzlich falsche Idee. Ein 3:0-Auswärtserfolg aber eine deutlich bessere.
Riskantes Defensivverhalten
Nach zwei Spielen unter Kovac lässt sich dennoch festhalten, dass auch der neue Trainer noch nicht komplett die Lösung für die Defensivschwäche der Borussen gefunden hat. Auffallend war vor allem im ersten Durchgang die extrem risikobehaftete Alles-oder-Nichts-Verteidigungshaltung der Abwehrspieler. Nico Schlotterbech, Emre Can und Co. gingen ein ums andere Mal mit höchstem Risiko in die Zweikämpfe, aus denen, wenn sie verloren wurden, immer wieder große Gefahr für das Tor von Gregor Kobel entstand. Auch wenn die Borussia die Null hielt, wird Kovac sicher dort ansetzen.
Kovac übernimmt Tullberg-Taktik
Im abschließenden Champions League-Gruppenspiel gegen Shakhtar Donetsk (3:1) überraschte Interimstrainer Mike Tullberg mit einem taktischen Kniff und ließ Ramy Bensebaini bei Ballbesitz von der Linksverteidiger-Position ins zentrale Mittelfeld schieben. Kovac gefiel offenbar die Idee und setzte den einrückenden Linksverteidiger gegen Sporting mit Winterneuzugang Daniel Svensson um. Dadurch verschob sich die Statik im Mittelfeld, Pascal Groß rückte weiter nach vorne. In der ersten Hälfte blieb die Verschiebung noch ohne erkennbare Wirkung, im zweiten Durchgang war es dann vor allem das starke Gegenpressing, das den Erfolg brachte.
Was will Dortmund?
Dass Kovac vor allem in der ersten Hälfte auf Vorsicht bedacht war, war offenkundig. Was der BVB aber darüber hinaus in Sporting vorhatte, blieb lange nebulös. Will man hohe Ballgewinne und direkte Mann-Orientierung oder eine verdichtete enge Raumaufteilung im Zentrum? Will man sich hoch in der gegnerischen Hälfte festsetzen oder verlegt man sich auf eine tiefere abwartende Grundhaltung? Will man durch Schüsse aus 30 Metern zum Torerfolg kommen oder durch Kombinationsfußball rein in den Sechzehner? In Ansätzen war eigentlich alles in Lissabon zu sehen, eine stringente einheitliche Marschrichtung war aber nicht immer zu erkennen. Erst in der zweiten Hälfte lieferte der BVB vor allem für sich selbst die richtigen Antworten.
Torfolge
0:1 Guirassy (60.): Nach 15 Minuten trägt das komplett neue Auftreten der Dormtunder im zweiten Durchgang die ersten Früchte. Der Ball landet bei Brandt auf dem rechten Flügel, der mit einer langen aber punktgenauen Flanke Guirassy findet. Der Topstürmer trifft mit einem perfekten Kopfball gegen die Laufrichtung von Keeper Rui Silva.
0:2 Groß (68.): Mit seinem BVB-Premierentreffer erhöht Groß auf 2:0. Ausgangspunkt war der starke Spielaufbau von Schlotterbeck. Adeyemi bekommt den Ball auf dem rechten Flügel und gibt kurz ab auf Guirassy, der auf Außen auftaucht. Der Mittelstürmer flankt perfekt hinter die Abwehrkette, wo Groß den Ball über die Linie drückt.
0:3 Adeyemi (82.): Der BVB verteidigt stark, Schlotterbeck spielt direkt auf den gestarteten Adeyemi. Der nimmt den Ball stark an, verzögert kurz, um Brandt mitzunehmen. Der spielt wieder flach vor das Tor zu Adeyemi, der sich mit dem Treffer selbst belohnt.
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