Scheich-Beben in der Premier League: Saudi-Übernahme auf dem Prüfstand
Geleakte WhatsApp-Nachrichten sollen belegen, dass es bei der Übernahme von Newcastle United durch den saudischen Investmentfond PIF staatliche Interventionen auf höchster Ebene gegeben hat. Sowohl der saudische Kronprinz als auch der britische Premierminister sollen beteiligt gewesen sein. Nun soll der Fall neu geprüft werden.
Als 2021 das saudi-arabische Konsortium Public Investment Fund (PIF) den nordenglischen Traditionsverein Newcastle United übernahm, war es über Wochen das bestimmende Thema auf der Insel. Während einige Fans der Magpies den neuen Geldgeber, der nichts Geringeres als eine Flut von Titeln ankündigte, in arabischer Trachtkleidung auf den Straßen feierten, waren viele wegen des Deals eher skeptisch bis geschockt.
Zum einen, da das Gesicht der Kampagne der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman war, auf dessen Geheiß drei Jahre zuvor der Enthüllungsjournalist Jamal Kashoggi brutal umgebracht worden sein soll und der seitdem immer wieder als der „Knochensägen-Scheich“ bezeichnet wird. Zum anderen rankten sich bereits damals Gerüchte um staatliche Einmischung in den Klub-Verkauf. Die Saudis sollen die britische Regierung mit anderen Investitionsgeschäften auf ihre Seite gezogen haben. Bewiesen wurde nichts – bis jetzt. Geleakte WhatsApp-Nachrichten scheinen die Befürchtungen zu bestätigen und sorgen nun für Wirbel.
Geheime Hinterzimmerdeals
Dies macht nun unter anderem der ‚Telegraph‘ öffentlich: „Nachrichten, die der Telegraph gesehen hat, deuten auf staatliche Interventionen auf höchster Ebene aus dem Königreich und dem Vereinigten Königreich hin, nachdem eine Einmischung der Regierung in den Deal bestritten wurde.“ Bei den Nachrichten handelt es sich um den Chatverlauf von Amanda Staveley. Diese ist Geschäftsführerin der Investment-Firma PCP Capital Partners, die als Co-Eigentümer zehn Prozent der Klubanteile hält.
Von Staveley gesendete WhatsApp-Nachrichten deuten darauf hin, dass „Mohammed bin Salman wichtige Entscheidungen im Rahmen der Übernahme absegnete, während Lord Grimstone, damals Minister für Investitionen im Vereinigten Königreich, hinter den Kulissen auf die Genehmigung des Deals drängte“. Der Verkauf des Klubs ging für knapp 360 Millionen Euro über die Bühne, wackelte im Vorfeld allerdings gewaltig. „Frau Staveley berichtete auch, dass sie im April 2021 die Hilfe des saudischen Botschafters im Vereinigten Königreich in Anspruch nahm, um den Deal zu retten“, zitiert der ‚Telegraph‘ aus den Leaks.
Britische Regierung bestreitet Einmischung
Einige Entscheidungsträger innerhalb der Premier League und auch der englischen Politik befürchteten damals, dass das Geschäft unlauter sein könnte. Der damalige Premierminister Boris Johnson erklärte jedoch auf Nachfrage in einer schriftlichen parlamentarischen Antwort, seine Regierung sei „zu keinem Zeitpunkt in die Übernahmeverhandlungen über den Verkauf von Newcastle involviert“ gewesen. Der Verkauf wurde schließlich abgeschlossen, nachdem der Premier League „rechtsverbindliche Zusicherungen“ gegeben wurden, dass der saudische Staat keine Kontrolle über Newcastle ausüben würde.
Doch das scheint sehr wohl der Fall gewesen zu sein: „In den am Sonntag erstmals veröffentlichten Nachrichten sagte Frau Staveley, sie stehe in direktem Kontakt mit Lord Grimstone und habe den Verkäufern des Clubs mitgeteilt, dass ‚der Minister hinter den Kulissen Druck ausübe‘ und sehr deutlich gemacht habe, dass er den Deal befürworte. An einem Punkt warnte Frau Staveley die Verkäufer auch, dass ‚der Kronprinz die Geduld verliert‘.“
Fall soll neu aufgerollt werden
Angesichts der nun geleakten Konversationen haben mehrere britische Abgeordnete bereits angekündigt, den Fall noch einmal neu aufrollen zu wollen. Clive Efford, ein Labour-Abgeordneter, der dem Ausschuss angehörte, der den Deal damals prüfte, erklärt dem ‚Telegraph‘: „Für jeden, der an der Wahrheit interessiert war, war immer klar, dass Newcastle mit Staatsgeldern gekauft wurde und dass die saudische Regierung die wahren Eigentümer von Newcastle sind. Die Tatsache, dass die damalige Regierung die Übernahme unbedingt durchführen wollte, obwohl sie von den ständigen Menschenrechtsverletzungen wusste, ist eine Schande. Der Fußball sollte eine solche Art von Sports Washing nicht zulassen.“
Über ihre Anwälte ließ die Newcastle-Co-Eigentümerin Staveley am gestrigen Montag mitteilen, dass sie den Kronprinzen immer nur in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des PIF erwähnt habe. Die Behauptung, dass ihre Botschaften Zweifel daran aufkommen ließen, ob die Zusicherungen über die Unabhängigkeit vom saudischen Staat eingehalten wurden, sei „genauso unlogisch wie falsch“, fügte sie hinzu. Ob das so ist, wird voraussichtlich in einem erneuten Verfahren entschieden.
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