Nachdem er zuvor bereits zu einigen Kurzeinsätzen gekommen war, stand Kai Havertz am vergangenen Samstag zum ersten Mal in der Startelf von Bayer Leverkusen – mit gerade einmal 17 Jahren. Das kommt nicht von ungefähr, denn Havertz hat seinen Altersgenossen nicht nur in einem Punkt einiges voraus.
Vor allem ein Name ist in und um Bayer Leverkusen momentan in aller Munde: Benjamin Henrichs. Innerhalb weniger Monate hat es der 19-Jährige geschafft, von einem talentierten U19-Mittelfeldspieler zu einem Außenverteidiger der Extraklasse zu reifen. Die steile Entwicklung des Bayer-Eigengewächses honorierte zuletzt auch Joachim Löw, der Henrichs erstmals in die Deutsche Nationalmannschaft berief.
Bei all der Euphorie um Bayers Jungnationalspieler gerät ein Akteur etwas ins Hintertreffen, der zuletzt jedoch nicht minder Beeindruckendes ablieferte: Kai Havertz. Der 17-Jährige ist zwar noch lange kein Nationalspieler, aber dennoch ein Talent für die Geschichtsbücher der Werkself. Als Roger Schmidt ihm am 7. Spieltag gegen den SV Werder Bremen das Vertrauen schenkte und ihn sieben Minuten vor Schluss einwechselte, war Havertz der jüngste Spieler, der je für Bayer in der Bundesliga auf dem Platz stand. Seit dem vergangenen Samstag hat Havertz einen weiteren Vereinsrekord inne: kein Spieler stand je jünger in der Startelf.
Bayers Rekordtalent
Während des 3:2-Siegs der Werkself gegen den SV Darmstadt 98 erhielt der 17-Jährige den Vorzug gegenüber erfahrenen Spielern wie Charles Aránguiz, Stefan Kießling oder Robbie Kruse. Nach 90 Minuten Einsatzzeit lässt sich konstatieren: Havertz hat kräftig Werbung in eigener Sache betrieben. Das sieht auch Schmidt so. „Kai ist ein vollwertiges Mitglied unserer Mannschaft. Er hat alles, was man braucht, um in der Bundesliga zu bestehen. Das hat er gegen Darmstadt bewiesen“, verrät der Trainer der ‚Bild‘.
Spätestens seit dem Darmstadt-Spiel ist man sich unterm Bayerkreuz sicher, dass man mit Havertz mehr als ein normales Talent sein Eigen nennen kann. In den Jugendbundesligen Deutschlands tummeln sich zahlreiche 17-Jährige, die ohne Frage über großartige Anlagen verfügen. Doch nur wenige sind in ihrer Entwicklung bereits so weit wie Havertz. Der Offensivallrounder ist nicht nur hochgewachsen, sondern bereits mit einer seltenen physischen Robustheit gesegnet. Während zahlreiche seiner Altersgenossen allein körperlich keine Chance in der Bundesliga hätten, kann sich Havertz bereits gegen gestande Erstliga-Verteidiger durchsetzen.
Spielanlage eines Profis
Auch seine Spielanlage ist für einen Teenager ungewöhnlich abgebrüht, sehr reif. Bezeichnend dafür ist eine Szene aus dem DFB-Pokal-Spiel der Werkself gegen die Sportfreunde Lotte. Nach über weite Strecken desaströsen 120 Minuten ging die Partie ins Elfmeterschießen. Während Routiniers wie Aránguiz, Kevin Volland und Julian Baumgartlinger verschossen, war es Havertz, der den ersten Elfer für die Werkself stoisch ruhig verwandelte. Dass ein 17-Jähriger in einer derart belastenden Situation überhaupt zum Elfmeter antritt, sagt einiges über den damaligen Zustand der Mannschaft aus – aber auch über den 17-Jährigen.
Natürlich spielt Havertz noch nicht wie ein etablierter Profi. Vor allem in seinen bisherigen Auftritten offenbarte er, dass ihm noch eine gewisse Ruhe am Ball fehlt. Oftmals schien es, als wolle er die Kugel möglichst schnell weiterleiten, um Fehler zu vermeiden. Auch in der Anfangsphase gegen Darmstadt agierte Havertz nervös, was zu zwei Ballverlusten in den ersten zehn Minuten führte.
Tolle Leistung gegen Darmstadt
Doch der 17-Jährige biss sich binnen kürzester Zeit ins Spiel, agierte zunehmend besonnener und war irgendwann nicht mehr von einem gestandenen Bundesligaspieler zu unterscheiden. Havertz traute sich ins Dribbling, wie in der elften Minute gegen Aytac Sulu, spielte einen schönen Steilpass auf Chicharito (14.) und leitete den Spielaufbau geschickt ein (24.). Mit dem taktisch höchst anspruchsvollen System von Schmidt kam Havertz ohne Probleme zurecht und nahm sich sogar einige kreative Freiheiten, ohne die taktischen Vorgaben zu vernachlässigen. Häufig kam er über den rechten Flügel, mal sah man ihn auf links. Manchmal holte er sich die Bälle aus der Tiefe, nur um wenige Minuten später im Sturmzentrum neben Chicharito zu stehen.
Dieses Verhalten, dieses Spielverständnis machen Havertz zu einem außergewöhnlichen Talent. Dennoch hat der Youngster noch einen weiten Weg zu gehen. Wenn Havertz abseits des Platzes über dieselbe Reife verfügt wie auf dem Spielfeld, wird ihm das bewusst sein. Von Vereinsseiten ist man zweifellos gewillt, dem Eigengewächs die nötige Zeit zu geben. Falls Havertz seine Entwicklung bestätigen kann, wird vielleicht auch sein Name zukünftig in und um Bayer Leverkusen in aller Munde sein.
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