Die Ausbildung der talentierten Spieler im Nachwuchs des FC Chelsea zählt nicht nur landesweit zu einer der besten. Die Jugendakademie erzielt Jahr für Jahr Erfolge und spült vielversprechende Kicker in den Seniorenbereich. Ruben Loftus-Cheek stellte durch die direkte Beförderung in den Premier League-Kader die Ausbildungsphilosophie auf den Kopf. Nun droht jedoch, wie vielen seiner ehemaligen Jugendmitspieler, der Karriereschritt Leihgeschäft, der die Bundesligavereine auf den Plan rufen könnte.
Im Cobham Training Centre in London werden Tag für Tag viele der talentiertesten Nachwuchsfußballer aus der englischen Hauptstadt gefördert. Der Ertrag in den Nachwuchsteams des FC Chelsea ist beachtlich, doch der Sprung in die Premier League stellt für die Talente eine große Hürde da.
Andere Vereine unterscheiden sich in der Jugendförderung vor allem in puncto Durchlässigkeit zu den Profis von der Philosophie der Londoner. Die Blues verleihen ihre Spieler in halb Europa in der Hoffnung, dass einige von ihnen den widrigen Umständen der Leihgeschäfte strotzen und gestärkt zur Stamford Bridge zurückkehren. Von echtem Erfolg ist dieses Konzept nur bedingt gekrönt. Immerhin scheint mit Andreas Christensen – leihweise in Diensten von Borussia Mönchengladbach – ein UEFA Youth League-Gewinner von 2015, in der kommenden Saison seinen Dienst im Profiteam von Trainer Antonio Conte anzutreten.
Loftus-Cheek schafft den ersehnten Sprung
Auch Ruben Loftus-Cheek, ehemaliger U19-Teamkollege von Christensen, darf sich Gewinner der Nachwuchs-Champions League nennen. Den beiden wurden neben Dominic Solanke, Ola Aina und Isaiah Brown die besten Chancen für eine Übernahme aus dem talentierten Jahrgang in den Premier League-Kader eingeräumt. Die Verantwortlichen der Blues entschieden sich bei Christensen für die Ausleihe zur Fohlenelf. Ebenso schnürten Solanke und Brown auf ein Jahr befristet bei Vitesse Arnheim ihre Schuhe, um Spielpraxis zu sammeln, während Rechtsverteidiger Ola Aina in die hauseigene U23 und Mittelfeldspieler Ruben Loftus-Cheek ins Starensemble berufen wurden.
Zuvor hatte der 20-Jährige schon im Dezember 2014 sein Profi-Debüt in der Champions League gegen Sporting Lissabon gefeiert und wechselte immer wieder vom Stammplatz der U19 und U21 in den Kader des Premier League-Teams.
In der Krisen-Saison 2015/16 erkämpfte sich Loftus-Cheek über Kurzeinsätze weitere Spielminuten in Englands Eliteklasse. Mit der Entwicklung des 1,91-Meter-Manns waren sowohl die Verantwortlichen als auch er selbst zufrieden. Eine Leihe im Sommer stand nicht im Raum.
Verletzungen stoppen die Jagd nach Spielzeit
In der laufenden Spielzeit stoppten Muskelverletzungen im Rücken und Oberschenkel den Youngster auf der Jagd nach Spielpraxis auf höchstem Niveau. Lediglich drei Einsätze sammelte der Rechtsfuß mit jamaikanischen Wurzeln und fiel in der teameigenen Hierarchie hinter Nathaniel Chalobah, ebenfalls aus der eigenen Jugend, zurück. Um die stockende Entwicklung von Loftus-Cheek wieder in Schwung zu bringen, erwägt man in London für den Winter ein Leihgeschäft. Das dürfte einige Interessenten – auch aus Deutschland – auf den Plan rufen.
Der gebürtige Londoner spielt seit seinem achten Lebensjahr für die Blues. Seine Entwicklung absolvierte er Schritt für Schritt bei Chelsea sowie den Jugendnationalmannschaften Englands. Dabei wurde er sowohl auf Vereins- als auch auf Verbandsebene immer relativ früh in die jeweiligen Teams beordert. Mit 16 Jahren gab er sein Debüt in der Reservemannschaft, die in der U21-Premier League an den Start geht. Seine überragende Physis erlaubt ihm seit jeher, sich mit deutlich älteren Spielern zu messen und verschaffte ihm die Möglichkeit, in jungem Alter Luft im Seniorenfußball zu schnuppern.
Der Alleskönner per Leihe in die Bundesliga?
Der defensive Mittelfeldspieler ist ein Hybrid aus körperlicher Robustheit, Athletik, Spielverständnis, Technik und sauberem Passspiel. Er bringt sich gut in den Spielaufbau ein, ist aufgrund seiner hervorragenden Technik auch im hohen Tempo in der Lage, den Ball durch das Mittelfeld zu treiben und ist sehr präzise im Passspiel. Seine Spielweise wirkte schon in Jugendzeiten sehr reif und abgeklärt. Defensiv versteht er es, Räume und Passwege des Gegners zu antizipieren und im Anschluss zu schließen.
In den Nachwuchsmannschaften überragte er mit seiner körperlichen und spielerischen Präsenz und führte bereits vor dem Youth League-Triumph die U21 zur Meisterschaft und zum FA Youth Cup unter den Reserve-Teams. In seinen Mannschaften leitet er Gegenangriffe durch schnelles Umschalten und Tempodribblings ein. Das Steckenpferd des Rechtsfuß' ist die Offensive, für die er durch seine feine Technik und sein sehr gutes Kurzpassspiel wie gemacht ist. Der Umstand, dass auch sein linker Fuß ordentlich ausgebildet ist, macht ihn zu einem handlungsfähigen Spieler, der sich auch aus Situationen unter hohem Gegner- und Zeitdruck befreien kann. Ausbaufähig sind sein Langdistanz-Passspiel und der Torabschluss.
Bundesligavereine als Nutznießer der CFC-Ausbildung
Chelsea, das mit den Leihgeschäften von Thorgan Hazard, Kevin de Bruyne und Andreas Christensen in der Bundesliga durchaus positive Erfahrungen gemacht hat, dürfte Angeboten aus Deutschland für den hoch veranlagten Mittelfeldspieler offen gegenüberstehen. Die Bundesligavereine mit Bedarf in der Zentrale könnten mit Loftus-Cheek einen talentierten, exzellent ausgebildeten, hungrigen Spieler hinzugewinnen. Er verfügt bereits über die körperliche Beschaffenheit, die keine Adaption an die Bundesliga erfordert. Für einen 20-Jährigen hat Loftus-Cheek schon viele Einsatzminuten im professionellen Fußball gesammelt und wirkt in puncto Spielverständnis und Ruhe am Ball Gleichaltrigen mehrere Schritte voraus.
Eine Win-Win-Situation könnte für interessierte Vereine enstehen. Die Klubs würden einen gut ausgebildeten Spieler für kleines Geld bekommen, der erwartungsgemäß wenig Anlaufschwierigkeiten benötigt. Entscheidend könnte die Laufzeit eines möglichen Leihgeschäfts sein. Eine halbjährige Leihe im Winter dürfte für manch einen Verein, trotz vorhandener spielerischer Qualität von Loftus-Cheek, die fehlende Eingewöhnungszeit bedeuten. Bei einem Geschäft über eineinhalb Jahren dürften die Interessenten hingegen Schlange stehen.
FT-Meinung: Ohne Frage besitzt Ruben Loftus-Cheek die Qualität, um auch in der Bundesliga seine Spuren zu hinterlassen. Der im zentralen Mittelfeld variabel einsetzbare Juniorennationalspieler würde als fast fertiger Spieler mit der Rückendeckung seines Trainers für viele Klubs eine Bereicherung darstellen. Sollten sich die Blues auf eine Leihe einlassen, die nicht auf die Rückrunde befristet ist, wäre er ein interessanter Mann. Falls sich der 20-Jährige bis zur Winterpause unter Trainer Antonio Conte nicht mehr in den Vordergrund spielt, kann eine Ausleihe sowohl von Spieler- als auch Vereinsseite eine attraktive Option darstellen.
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