Nach einem Daueraufenthalt am Abgrund der Premier League zählte Nottingham Forest vor der Saison zu den Abstiegskandidaten. Doch in frecher Weise spielt der Klub dieser Tage um die Tabellenführung mit. Wie konnte es dazu kommen?
Der FC Liverpool hat sich unter Trainer Arne Slot zu einem absoluten Bollwerk entwickelt. Erst sechs Gegentreffer kassierten die Reds an den ersten zehn Spieltagen der Premier League. Die einzige Saisonniederlage? Die kam gegen Nottingham Forest zustande, das hinter Slots Team mit nur einem Gegentor mehr auf dem Konto die zweitbeste Abwehr der Liga stellt.
Der Europapokalsieger von 1979 und 1980 befindet sich in einer herausragenden Form, die dem Team von Trainer Nuno Espírito Santo so nicht zuzutrauen war. Schließlich hatte der Klub die vergangene Saison hauptsächlich mit dem Abstiegskampf verbracht. Die höchste Platzierung der Spielzeit 2023/24 war Rang 15, eigentlich befand man sich fast durchgängig auf Tabellenplatz 17, Nottinghams Endplatzierung.
Dieses Jahr steht nach zehn Spieltagen mit nur einer Niederlage Platz drei zu Buche – noch vor Teams wie dem FC Chelsea, dem FC Arsenal, Tottenham Hotspur oder Aston Villa. Das letzte Mal, dass die Tricky Trees das Ende eines Spieltags als Tabellendritter erlebten, ist eine Weile her: Ende August des Jahres 1998.
Doch wie kommt Nottinghams bislang so außergewöhnliche Saison zustande? Am besten eignet sich zur Beschreibung wohl das Sprichwort des guten Pferds, das nicht höher springt, als es muss – und das derzeit regelmäßig. Dabei ist der Klub eigentlich eher ein Gaul für die hinteren Plätze, dem ein solcher Sprung gar nicht ähnlich sieht.
Das ungewöhnliche Bollwerk
Was Nottinghams Erfolg so interessant macht, ist der taktische Ansatz. Denn der besteht weder aus Ballbesitz noch aus Pressing. Mit durchschnittlich 41,9 Prozent Ballbesitz schneiden im Ligavergleich nur Aufsteiger Ipswich Town (41,5) und der FC Everton (38,1) schlechter ab. Dazu lässt Nottingham mit 15,06 Pässen pro Defensivaktion in der Liga den meisten gegnerischen Ballbesitz in der eigenen Hälfte zu.
Dennoch weist das Team mit sieben Gegentoren eine bessere Bilanz auf, als statistisch zu erwarten ist (11,3 erwartete Gegentreffer). Hat aber das Team von Espírito Santo mal selbst den Ball, geht es schnell. Im Teamvergleich zählt Forest laut dem Datenanbieter ‚Opta‘ zu den schnellsten und am direktesten spielenden Teams der Premier League.
Aller guten Transfermärkte sind drei
Hinzu kommt, dass der Aufsteiger von 2022 nach mittlerweile drei Sommertransferfenstern mit Gesamtausgaben von rund 330 Millionen Euro offenbar die richtige Kadermischung gefunden hat. Neuzugang Nikola Milenkovic (23) vom AC Florenz hält in der Innenverteidigung die neue Defensive zusammen und kann als klarer Glücksgriff bezeichnet werden. Auf den Außenbahnen beschäftigen mit Anthony Elanga (22) und Callum Hudson-Odoi (24) zwei von den großen englischen Klubs verschmähte Talente die gegnerischen Abwehrreihen.
Doch der größte Faktor von Nottinghams Höhenflug ist Mittelstürmer Chris Wood, der sich in der Form seines Lebens befindet. Der Routinier, der nächsten Monat seinen 33. Geburtstag feiert, ist mit acht Treffern in zehn Spielen auf dem besten Wege, seine Vorjahresmarke von 14 Toren zu pulverisieren. In der Torjägerliste belegt der Neuseeländer gleichauf mit Bryan Mbuemo vom FC Brentford den geteilten zweiten Platz hinter Spitzenreiter Erling Haaland (elf Treffer). Von der Spielergewerkschaft PFA wurde Wood zum Spieler des Monats Oktober gewählt.
Die Reifeprüfung steht an
Zur Wahrheit über die fast schon historische Saison der Tricky Trees gehört allerdings auch der bisher gnädige Spielplan. Denn die meisten Topteams warten noch auf die Mannschaft von Espírito Santo. In den kommenden sechs Spielen heißen die Gegner Newcastle United, FC Arsenal, Ipswich Town, Manchester City, Manchester United und Aston Villa.
Danach wird man sehen, ob der Vorjahres-17. derzeit nur einen leichten Höhenflug erlebt oder ob sich Sportdirektor Edú bei seinem Wechsel vom FC Arsenal in Richtung Norden bewusst war, was da gerade am Sherwood Forest zusammenwächst.
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