BVB mit sechs Deutschen ins CL-Finale: Denkt Nagelsmann jetzt um?
Borussia Dortmund steht sensationell im Finale der Champions League. Das wird auch der Bundestrainer registriert haben und einige Personal-Entscheidungen der Vergangenheit womöglich nochmal überdenken.
Als Julian Nagelsmann vor acht Wochen seinen runderneuerten DFB-Kader präsentierte, war mit Niclas Füllkrug nur ein einziger Spieler von Borussia Dortmund dabei. Dass der BVB in den folgenden Wochen mit sechs deutschen Stammspielern bis ins Finale der Champions League vorstoßen würde, war damals natürlich noch nicht abzusehen. Doch ändert es nun womöglich die Pläne des Bundestrainers.
Die sahen ursprünglich vor, dass es nur noch wenige Änderungen am Kader in Richtung EM im eigenen Land geben sollte. Der Gedanke dahinter: Die Truppe aus den Spielen gegen Frankreich (2:0) und die Niederlande (2:1) erwies sich als schlagkräftig und homogen. Jeder kannte im Vorfeld seine Rolle und war mit dieser einverstanden.
„Jeder muss zu seiner Rolle passen“
Nagelsmann unterstrich dazu kürzlich bei ‚Magenta TV‘: „Ich habe immer gesagt, es ist keine Tür zu, aber generell ist es die Kunst als Trainer, mit Hinblick auf das Turnier, eine Mannschaft zu finden, wo jeder Spieler 100 Prozent zur jeweiligen Rolle passt.“
Wie stehen also die Chancen der fünf zuletzt nicht berücksichtigten deutschen BVB-Stammspieler, doch noch auf den EM-Zug aufzuspringen? FT macht den Check.
Mats Hummels
In beiden Halbfinal-Spielen gegen Paris St. Germain (jeweils 1:0) erhielt Hummels die FT-Note 1,5 und wurde von der UEFA jeweils zum Spieler des Spiels ausgezeichnet. Um das Prädikat Weltklasse kommt man beim 35-jährigen Routinier gerade nicht herum. Problem: Für die EM sind die ebenfalls bärenstarken Antonio Rüdiger (Real Madrid) und Jonathan Tah (Bayer Leverkusen) aktuell in der Innenverteidigung gesetzt. Waldemar Anton spielt zudem eine starke Saison für den VfB Stuttgart. Dass der zuletzt schwächelnde Robin Koch (Eintracht Frankfurt) aber statt Hummels mitfährt, wäre anhand des Leistungsprinzips kaum zu vermitteln.
Die Erfahrung und Ruhe des Weltmeisters von 2014 könnte auch von der Bank ganz wichtig werden. Doch gilt Hummels mitunter auch als unbequemer Meinungsführer. Passt ein solcher in die Rolle des Ersatzspielers? Nagelsmann hat da offenkundig seine Zweifel. „Es geht auch darum, die richtigen Backups zu finden. Da sehe ich Mats nicht als optimale Besetzung“, urteilte der Bundestrainer im März.
Nico Schlotterbeck
Schlotterbeck ist für das Prädikat Weltklasse noch viel zu fehleranfällig, bringt die Anlagen dafür aber mit und verdiente sich gegen PSG ebenfalls Bestnoten (FT-Noten 1 & 1,5). Als Linksfuß hätte er im deutschen Abwehrzentrum zudem ein Alleinstellungsmerkmal.
Doch Nagelsmann bemängelt die Inkonstanz des 24-Jährigen und berief ihn seit Amtsantritt noch gar nicht ins DFB-Team. Dass er das nun zur EM erstmals ändert, ist unwahrscheinlich. Eher fährt wohl Hummels mit, der unter Nagelsmann zumindest schonmal dabei war.
Emre Can
Auch Dortmunds Kapitän tauchte unter dem neuen Bundestrainer noch gar nicht im Aufgebot auf. Im defensiven Mittelfeld ist nun vorerst der wie Can robuste, aber spielerisch bessere Robert Andrich (Bayer Leverkusen) an der Seite von Toni Kroos (Real Madrid) gesetzt. Dahinter drängt Leon Goretzka (FC Bayern) zurück in den Kader.
Für Can, so scheint es doch recht eindeutig, bleibt da kein Platz. Ohnehin war der 30-Jährige auf Dortmunds Weg ins Königsklassen-Endspiel kein Schlüsselspieler. Gegen PSG erhielt er etwa die FT-Noten 4 und 3,5.
Julian Brandt
Dass Brandt im März nicht nominiert wurde, bezeichnete Nagelsmann schon damals als „Härtefall“, war er doch zuvor immer dabei und kratzte sogar an der Stammformation. Der Spielmacher reagierte auf seine Nichtnominierung mit einem klaren Formanstieg und performte seither insbesondere in der Königsklasse auf Top-Level: Ein Tor und drei Assists sammelte Brandt alleine in der K.O.-Runde.
Das Problem bleibt aber dasselbe. Im offensiven Mittelfeld gibt es eine ganze Menge Konkurrenz. Jamal Musiala und Florian Wirtz sind gesetzt, dahinter scharren die Stuttgarter Senkrechtstarter Chris Führich und Deniz Undav mit den Hufen. Außerdem ist Thomas Müller immer da, wenn man ihn braucht. Dass sich am Ende aber doch noch ein Plätzchen für Brandt im Kader findet, ist nicht abwegig.
Karim Adeyemi
Dass der Flügelstürmer nicht im März-Kader stand, war kein „Härtefall“, sondern schlicht selbstverständlich. Adeyemi kam damals gerade aus einem Syndesmosebandriss und suchte händeringend nach seiner Form. Doch diese kam mit der Größe der Aufgaben sukzessive zurück. In Windeseile spielte sich der 22-Jährige auf Dortmunds linker Seite fest und entdeckte plötzlich auch das Verteidigen für sich.
Die Linie haltende Außenspieler gibt es im DFB-Kader nicht zuhauf – und obendrein ist Adeyemi mit seinem Topspeed von 35,36 km/h eine krasse Waffe im Konterspiel – etwa bei Führung kurz vor Schluss. Dass er aber zuletzt Einladungen zur U21-Nationalelf ablehnte, wird seinem Standing beim DFB ziemlich geschadet haben, sodass eine EM-Nominierung unwahrscheinlich bleibt.