Lucien Favre wurde in seiner Trainerkarriere schon vieles genannt: Stoisch, akribisch und eigenbrötlerisch, aber auch detailversessen und absolut fachmännisch. In dieser Spielzeit stellt der Schweizer vor allem seine Kreativität unter Beweis.
Als Lucien Favre im Oktober auf die Innenverteidiger Dan-Axel Zagadou und Manuel Akanji verzichten und zudem Lukasz Piszczek beim Spiel in Hoffenheim (1:0) nach 20 Minuten verletzt vom Platz musste, funktionierte der Cheftrainer kurzerhand Thomas Delaney um. Der etatmäßige Mittelfeldspieler überzeugte gegen die Kraichgauer als linker Part in der Dreierkette.
Nach Akanjis ausgestandener Corona-Infektion setzte Favre wieder auf die von ihm ohnehin favorisierte Viererkette und stellte seinen Schweizer Landsmann neben Mats Hummels auf. Da Abwehrchef Hummels aber mindestens beim gestrigen Champions League-Spieltag gegen den FC Brügge (3:0) verletzt zusehen musste, war erneut Favres Kreativität gefragt.
Witsel als Hummels-Vertreter
Eine Dreierkette mit Delaney, Akanji und Piszczek wäre möglich gewesen, Favre wollte aber offensichtlich nicht von der Viererkette abrücken. Also nominierte er kurzerhand für viele überraschend Axel Witsel als zentralen Innenverteidiger. Die Schwarz-Gelben blieben zum vierten Mal in Folge ohne Gegentor, maßgeblichen Anteil daran hatte der gestrige BVB-Kapitän.
Witsel „überzeugte in seiner neuen Rolle mit beachtenswerter Antizipation, sicherem Aufbau sowie geschicktem Zweikampfverhalten“, so die gestrige FT-Bewertung samt der Schulnote 1,5. „Es war eine Intuition, heute zu viert hinten zu spielen und Axel Witsel neben Akanji zu stellen. Axel hat sehr clever gespielt. Ich bin sehr zufrieden mit seiner Leistung“, analysierte Favre nach dem 3:0-Erfolg.
Akanji zeigte sich nach der Partie angesichts der herausragenden Leistung seines ungewohnten Nebenmannes fast schon überrascht: „Manchmal reicht ein kleiner Wechsel, dass es gleich besser läuft. Axel hat einen sehr guten Job gemacht neben mir, er hat viele Zweikämpfe gewonnen, wusste, wo er stehen musste. Ich musste ihm nicht sehr helfen.“
Favre forderte mehr Alternativen
Favre wurde im Sommer nicht müde, mehr Alternativen zu fordern. Nach Ansicht des Akribikers bestehen Topmannschaften aus zwei kompletten Startaufstellungen und können Dreier- wie Viererkette spielen. Es ehrt den Cheftrainer, dass er im wirtschaftlich schwierigen Corona-Sommer nicht trotzig auf seinen Forderungen beharrt und nach Ausreden sucht, sondern kreative Lösungen in seinem Kader findet.
Aller Kreativität zum Trotz hoffen wohl nicht nur Favre und Akanji darauf, dass Hummels für den kommenden Bundesliga-Showdown gegen den FC Bayern (Samstag, 18:30 Uhr) zur Verfügung stehen wird. Wenn nicht, muss Favre wieder kreativ werden. Dann wird sich zeigen, ob diese neu entdeckte Qualität auch gegen die aktuell beste Mannschaft der Welt zum Erfolg führt.
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