Gravierende Folgen drohen: FIFA-Transferregeln verstoßen gegen EU-Recht

Droht der FIFA ein zweiter Fall Bosman? Der europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die aktuellen Transferregelungen des Weltverbands nicht mit dem europäischen Recht vereinbar sind. Das Urteil könnte weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen.

von Martin Schmitz - Quelle: curia.europa.eu | fifa.com
3 min.
Der höchst umstrittene FIFA-Chef Gianni Infantino bei der Jahreshauptversammlung des Verbands @Maxppp

Der Fußball-Transfermarkt könnte sich in Zukunft gravierend verändern. Anlass dafür könnte ein Urteil sein, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) am heutigen Freitagvormittag gefällt hat und das die Rechte der Fußballer als Arbeitnehmer deutlich stärkt. Die Machtverhältnisse in Vertragsangelegenheiten drohen in Zukunft von der Vereinsseite deutlich mehr in Richtung Spielerseite zu kippen, ähnlich wie beim Bosman-Urteil im Jahr 1995.

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Diesmal ist der Auslöser der ehemalige Fußballprofi Lassana Diarra. Dieser hatte nach seinem geplatzten Wechsel zum Club Sporting du Pays de Charleroi die FIFA und den belgischen Fußballverband auf Schadensersatz und Verdienstausfall von sechs Millionen Euro verklagt. Das belgische Gericht hatte den Fall an den Europäischen Gerichtshof weitergereicht, der nun ein Urteil getroffen hat. Im Fall des ehemaligen französischen Nationalspielers geht es darum, ob Fußballer – ebenso wie alle anderen Arbeitnehmer in der EU – vorzeitig aus ihren Verträgen aussteigen dürfen. Dies verhindern bisher die Transferregeln der FIFA, die festgelegte Transferfenster und Vertragslaufzeiten vorsehen. Ändert sich das womöglich bald?

Erhebliche Belastungen für Spieler und Vereine

Steigt ein Spieler aus seinem Vertrag aus, muss ein aufnehmender Klub wegen Vertragsbruchs eine Entschädigung zahlen. Diarra hatte 2014 seinen laufenden Vertrag beim russischen Erstligisten Lokomotive Moskau vorzeitig aufgelöst, fand jedoch keinen neuen Verein, da kein Klub die fällige Entschädigung zahlen wollte. Zusätzlich belegte ihn der Weltverband mit einer Strafzahlung von zehn Millionen Euro wegen Vertragsbruchs. Die Anwälte des heute 39-Jährigen sahen in diesen Maßnahmen einen Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU und das Kartellverbot. Bei seinem Abschlussplädoyer vor dem europäischen Gerichtshof kam auch der Generalanwalt im April zu dieser Ansicht.

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Auch die Richter stimmen nun zu: „Diese Bestimmungen behindern die Freizügigkeit der Spieler und beschränken den Wettbewerb zwischen den Vereinen.“ Weiter heißt es im Urteil, dass die Regeln die Sportler und Vereine „mit erheblichen rechtlichen, unvorhersehbaren und potenziell sehr großen finanziellen sowie ausgeprägten sportlichen Risiken belasten“. Zwar könnten einige der Regeln dadurch gerechtfertigt werden, dass ein gewisser Grad an Beständigkeit in den Mannschaften gewährleistet werden muss, aber ein Teil der Vorgaben gehen dem Gerichtshof zu weit.

Zweites Bosman-Urteil?

Welche konkreten Folgen das Urteil für den europäischen oder gar weltweiten Fußball hat, ist derzeit noch nicht abzusehen. Laut dem renommierten Sportrechtler Antoine Duval ist es jedoch unwahrscheinlich, dass das aktuell praktizierte Transfersystem Bestand haben kann. Somit hat das Urteil das Potenzial, ein zweiter Fall Bosman zu werden. Der ehemalige Profifußballer Jean-Marc Bosman zog wegen eines ähnlichen Anliegens Mitte der 90er-Jahre vor den EuGH und bekam ebenfalls Recht. Seitdem müssen Vereine keine Ablösesummen mehr für Spieler zahlen, deren Verträge ausgelaufen sind, was bis dato trotzdem noch verpflichtend war. Dieses „Bosman-Urteil“ sorgte für eine Revolution auf dem Transfermarkt.

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Der EuGH urteilt zudem grundsätzlich nur über die jeweils vorgelegten Fragen. Die Entscheidung in konkreten Fällen müssen andere Gerichte übernehmen, die dabei die Rechtsauffassung des EuGH beachten sollen – zumindest bis die FIFA ihr Regelwerk ändert. Diese hat sich mittlerweile schon zum Urteil geäußert und gibt sich betont gelassen. „Die FIFA ist zufrieden, dass die Rechtmäßigkeit der Schlüsselprinzipien des Transfersystems in der heutigen Entscheidung erneut bestätigt wurde. Die Entscheidung stellt nur zwei Absätze von zwei Artikeln des FIFA-Reglements über den Status und den Transfer von Spielern in Frage, die nun von der nationalen Gerichtsbarkeit geprüft werden sollen“, heißt es in einer Stellungnahme. Über weitere Schritte werde derzeit intern beraten.

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