DFB-Team trifft das Tor nicht | Gute Noten für die Joker
Die deutsche Nationalmannschaft hat sich im ersten von zwei Testspielen vor Start der Europameisterschaft im eigenen Land mit 0:0 von der Ukraine getrennt. FT hat die Noten für die DFB-Stars.
Das DFB-Team zeigte sich über weite Strecken sehr balldominant, durchaus selbstbewusst und mit Spielwitz ausgestattet. Gute bis klare Torchancen wie etwa durch Ilkay Gündogan (15.) waren auch dabei, doch lag defensiv noch Einiges im Argen. Sowohl aus Kontern als auch aus längeren Ballpassagen kam die Ukraine viel zu einfach zu teils großen Torchancen.
Im zweiten Durchgang stand das DFB-Team trotz zahlreichen Wechseln defensiv etwas besser und spielte trotzdem voll auf Sieg. Der bärenstarke ukrainische Keeper Anatoliy Trubin avancierte zum besten Spieler auf dem Feld. Deutschland versuchte es auch vermehrt mit Flanken, der geeignete Abnehmer fehlte in Abwesenheit von Niclas Füllkrug jedoch.
Unter dem Strich hätte das DFB-Team angesichts eines Torschussverhältnisses von 26:6 als Sieger aus diesem Test hervorgehen müssen. Einmal mehr fehlte der Killerinstinkt. Sorge bereitete gerade im ersten Durchgang die Defensive. Woran bis zum Turnierstart am 14. Juni gegen Schottland noch gearbeitet werden muss, zeigte der Test gegen die Ukraine eindeutig.
Torfolge
Einzelkritik
Tor
Manuel Neuer: Bei seinem Comeback im DFB-Team nach 18 Monaten Pause war der Ex-Kapitän lange kaum gefordert, dann aber zur Stelle gegen Yaremchuk (39., 45.) sowie gegen Mudryk (60.). Kurz vor Schluss dann mit einem wilden Fehlpass weit vor dem eigenen Tor, bei dem ihm eine anschließende Abseitssituation rettete.
Abwehr
Joshua Kimmich: Schob auf der rechten Seite weit nach vorne, um Vordermann Musiala Freiheiten zu gewähren. Damit wird Kimmich aber seiner gestalterischen Qualitäten weitestgehend beraubt. Zudem ist der Weg zurück weit, gegen den pfeilschnellen Mudryk kam Kimmich in Umschaltmomenten so oft gar nicht erst in den Zweikampf.
Waldemar Anton: Mutig und wach in der Restverteidigung. Wenn doch mal ein Ball durchrutscht, hat der VfB-Kapitän die nötige Geschwindigkeit, um sich zurück ins Spiel zu bringen. Ein starkes Startelf-Debüt von Anton, der seinen Status als Innenverteidiger Nummer drei sichert.
Jonathan Tah: Zeichnete jeweils für die Ballverluste vor den beiden größten Chancen der Ukraine im ersten Durchgang verantwortlich. Anfangs fehlte Tah der nötige Mut beim Herausrücken. Ein eher schwacher Auftritt des Leverkuseners.
Maximilian Mittelstädt: Obwohl ständig auf dem Weg nach vorne, war der Linksverteidiger auch defensiv bei Konterchancen der Ukrainer hellwach. In der Offensive spielfreudig und kreativ, zeigte sich Mittelstädt bereits in EM-Form.
Mittelfeld
Robert Andrich: Der Leverkusener ist spielerisch mittlerweile absolut auf der Höhe. Spielt kurze wie lange Pässe messerscharf und mit großer Selbstverständlichkeit im richtigen Moment, sorgt damit zuweilen auch für direkte Torgefahr. Dafür aber bei seinen so wichtigen Aufgaben im Gegenpressing und beim Schützen der eigenen Viererkette gerade im ersten Durchgang immer wieder mal einen Tick zu spät dran.
Pascal Groß: Der Ersatz für Toni Kroos nahm gleich die abkippende Spielmacherrolle des Großmeisters ein und diktierte mit bemerkenswerter Selbstverständlichkeit das deutsche Aufbauspiel. Groß hatte bei vielen gefährlichen Aktionen die Füße im Spiel, ein besonders guter Balleroberer ist er allerdings nicht, was zu Problemen in der Kontersicherung führte.
Jamal Musiala: Umtriebig und spielfreudig, doch auch mit hoher Rate an falschen Entscheidungen und technischen Fehlern. Trotzdem droht sofort Gefahr für den Gegner, wenn Musiala am Ball ist. Die gemeinsame Halbzeit mit Wirtz war vielversprechend, aber ohne Ertrag.
Ilkay Gündogan: Der Kapitän fremdelt nach wie vor etwas mit der Zehnerrolle, vergab aus kürzester Distanz Deutschlands erste Großchance (15.) und war auch später teils zu verspielt im Strafraum. Führte aber immerhin auch das starke Angriffspressing des DFB-Teams an und zeigte ein paar clevere Aufdreh-Bewegungen. Zur Halbzeit ausgewechselt.
Florian Wirtz: Der Ausnahmekönner zeigte sich auf der linken Seite spielfreudig. Wirtz sucht immer wieder Doppelpässe mit Musiala und legte dem Münchner so einige gefährliche Chancen vor. Zur Pause wohl zu Schonungszwecken ausgewechselt.
Angriff
Kai Havertz: Einmal mehr wurde deutlich, wie sehr ein gelernter Mittelstürmer fehlen kann – gerade, wenn das DFB-Team teils minutenlang den gegnerischen Sechszehner belagert. Havertz ist konkret gar nicht viel vorzuwerfen, war fleißig gegen den Ball und zog immer wieder die geforderten kurzen Sprints in den Rücken der Abwehr an. Doch trägt der England-Legionär das nicht erlernbare Knipsergen auf engstem Raum einfach nicht in sich. Hatte einen passablen Abschluss per Kopf, ehe er nach einer Stunde weichen musste.
Einwechslungen
ab 46. Chris Führich für Wirtz: Der Linksaußen nutzte die Eingespieltheit mit Hintermann Mittelstädt und war so sofort gut im Spiel. War bei einigen gefährlichen Aktionen beteiligt, legte etwa Undavs Großchance mit guter Übersicht vor. Klare Bewerbung für Spielminuten bei der EM. FT-Note: 2,5
ab 46. Deniz Undav für Gündogan: Interpretierte die Zehnerrolle mit mehr Nachdruck als Gündogan, vergab aber ebenfalls zwei hochkarätige Chancen. Gerade sein Abschluss in der Nachspielzeit hätte zum Sieg führen müssen. FT-Note: 3
ab 60. Maximilian Beier für Musiala: Fügte sich gleich mit zwei starken Abschlüssen ein und und brachte damit nochmal neue Ernsthaftigkeit in die deutschen Angriffsbemühungen. Zudem mit der Vorarbeit zu Undavs Großchance in der Nachspielzeit. In dieser Verfassung kein EM-Streichkandidat mehr. FT-Note: 1,5.
ab 60. Thomas Müller für Havertz: Technische Unzulänglichkeiten gehören bei Müller dazu, aber der Münchner war sofort auf Betriebstemperatur und bei fast allen gefährlichen Momenten nach seiner Einwechslungen mittendrin. FT-Note: 3.
ab 60. Robin Koch für Tah: Auch der Frankfurter ist ein Streichkandidat, zeigte sich nach seiner Einwechslung aber extrem abgeklärt und hellwach. Guter Auftritt und ein Bewerbungsschreiben. FT-Note: 2,5
ab 69. Aleksandar Pavlovic für Andrich: Ohne Note.