46 Millionen Euro nahm der VfL Wolfsburg im Wintertransferfenster ein, 33 Millionen wurden direkt reinvestiert. FT stellt die Frage, welcher Plan mit den fünf Neuverpflichtungen verfolgt wurde.
Es war ein Start nach Maß ins Fußballjahr 2017. Mit 1:0 bezwang der VfL Wolfsburg am 17. Spieltag den Hamburger SV. Fünf-Millionen-Euro-Neuzugang Paul-Georges Ntep bereitete das Tor des Tages von Mario Gómez vor und zeigte auch ansonsten eine blitzsaubere Leistung samt tollen Antritten auf dem linken Flügel. Dass der HSV eine Stunde in Unterzahl agierte, ignorierte man beim VfL in der Nachbetrachtung nur zu gerne. Es sollte der Aufbruch in bessere Zeiten werden.
Hinter den Verantwortlichen um Neu-Manager Olaf Rebbe und dem jungen Trainer Valérien Ismaël lag zu diesem Zeitpunkt eine ereignisreiche Transferperiode. Nörgler Julian Draxler wurde für 40 Millionen Euro an Paris St. Germain verkauft. Das Geld nahezu komplett in Ntep, Yunus Malli (12,5 Millionen), Riechedly Bazoer (12) und Ashkan Dejagah (ablösefrei) reinvestiert. Der Transfer von Victor Osimhen (3,5) stand schon zu Zeiten von Klaus Allofs fest. Daniel Caligiuri, gegen den HSV noch in der Startelf, verabschiedete sich über Nacht zu Schalke 04.
Kein System für Ntep
28.01.2017. Mit einem Sieg gegen den FC Augsburg sollte der endgütige Befreiungsschlag im Tabellenkeller gelingen. Ntep und Malli standen erneut in der Startelf, konnten aber die bittere 1:2-Pleite nicht verhindern. Für Ismaël Grund genug, das Spielsystem im Anschluss von 4-2-3-1 auf 5-3-1-1 umzustellen. Das brachte dem Team nicht nur eine 0:1-Niederlage beim 1. FC Köln ein, sondern lässt auch unweigerlich die Frage aufkommen, welchen Zweck man mit den Winterverpflichtungen verfolgt hat.
Ntep, laut seinem Trainer „ein echter Flügelspieler“, fand sich gegen den Effzeh auf der Bank wieder – trotz des vielversprechenden Starts gegen Hamburg. Den Alleinunterhalter auf der linken Seite mimte der gelernte Sechser Yannick Gerhardt. Ismaël begründet: „Die Mannschaft fühlt sich in diesem System anscheinend sehr wohl, es gibt ihr mehr Sicherheit.“ Konkret nach seinem Landsmann befragt antwortet der Franzose: „In dieser Situation geht es nicht um Einzelne.“ Ein Spruch, wie er von jedem Trainer im Abstiegskampf schon einmal ausgesprochen wurde.
Fragwürdige Perspektivtransfers
Der Widerspruch besteht allerdings darin, dass Ntep als Wunschspieler Ismaëls in die Autostadt kam. Den Eindruck, den Sprinter nur im 4-2-3-1 einsetzen zu können, hätte er also schon längst gewonnen haben müssen. Die Frage nach dem Sinn und Zweck der Verpflichtung eines Spielers, der nicht in das System passt, in dem sich die Mannschaft am wohlsten fühlt, muss gestellt werden dürfen. Zumal sich der VfL nach wie vor im unteren Tabellendrittel aufhält und sich entsprechend in einer Situation befindet, die sogenannte Perspektivtransfers fragwürdig erscheinen lässt.
Als solcher geht freilich auch der von Riechedly Bazoer durch. Der begehrte Niederländer wurde von Ajax Amsterdam losgeeist. Mit zwölf Millionen Euro war er alles andere als günstig. Seine Bilanz nach fünf Wochen in Deutschland: Null Einsatzminuten in der Bundesliga. Die erfahrenen Josuha Guilavogui, Luiz Gustavo und Maximilian Arnold – eigentlich allesamt Gesichter der zuletzt währenden sportlichen Tristesse – haben im defensiven Mittelfeld die Nase vorn. Es würde wohl nur die wenigsten überraschen, wenn der als nicht ganz einfach geltende Bazoer bald für Unruhe sorgen sollte.
Wundertüte Dejagah
Für reichlich Aufsehen sorgte auch die überraschende Verpflichtung von Ashkan Dejagah. Der 30-Jährige kehrte von Al-Arabi in Katar zurück nach Niedersachsen. Sein letztes Pflichtspiel absolvierte er dort vor einem Jahr – im Februar 2016. Der U21-Europameister von 2009 erklärte das so: „Es kam ein neues Management, einer hat sich entschieden, mich kurz vor Transferschluss von der Kaderliste zu streichen.“ Auch dafür wird es Gründe gegeben haben. Zumindest mehr Gründe, als den Flügelspieler zurück in die Liga zu holen. Immerhin hält sich das finanzielle Risiko bei einem sechsmonatigen Vertrag in Grenzen.
Sogar den vielbeachteten Transfer von Yunus Malli kann man sportlich hinterfragen, wenn man denn möchte. Zwar ist der Deutsch-Türke der Einzige der Neuen, der derzeit zur Stammformation zählt. Doch verfügt man in Daniel Didavi bereits über einen Spieler, der vollständig auf die Zehnerposition im offensiven Mittelfeld festgelegt ist – wie auch Malli. Didavi wusste zu Saisonbeginn zu überzeugen, verletzte sich jedoch im Anschluss. Immerhin das rechtfertigt den Transfer Mallis. Für 12,5 Millionen Euro holten sich die Wölfe aber somit nicht nur einen neuen Spielmacher, sondern auch potenzielle Hahnenkämpfe ins Haus.
Erinnerungen an Magath
Unter dem Strich wirken die Aktivitäten in Olaf Rebbes erster Transferphase als hauptverantwortlicher Manager wenig durchdacht. Die Neuen passen entweder nicht ins System (Ntep), bringen nicht die nötige Erfahrung für den Abstiegskampf mit (Bazoer, Osimhen), verfügen über viel zu wenig Spielpraxis (Dejagah) oder verfügen über gehöriges Konfliktpotenzial (Malli, Bazoer). Eine Konstellation, die man seit der Trennung von Felix Magath eigentlich tunlichst vermeiden wollte. Bereits damals wurde gefühlt alles gekauft, was nur irgendwie zu bekommen war. Eine abschließende Bewertung sollte aber freilich erst im Sommer vorgenommen werden.
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