Wilson Kamavuaka im FT-Interview: „Lieber Aachen als Hamburg"

Im Winter kam Wilson Kamvuaka aus Griechenland zu Darmstadt 98. Im FT-Interview gibt sich der Sechser optimistisch, zeigt sich heimatverbunden und schwärmt von ehemaligen Mitspielern. Ein Wolfsburger hat es ihm ganz besonders angetan.

von Niklas Kling - Quelle: FT-Exklusiv
7 min.
Zweikampfstark: Wilson Kamavuaka @Maxppp

Herr Kamavuaka, Sie befinden sich 8 Spieltage vor dem Saisonende mit dem SV98 auf dem letzten Tabellenrang, 14 Punkte hinter dem Relegationsplatz. Glauben Sie noch an eine Rettung in allerletzter Sekunde?

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Wilson Kamavuaka: Im Leben darf man niemals nie sagen. Es sieht natürlich schwierig aus und das ist es auch. Vom ersten Spieltag an galten wir als Abstiegskandidat Nummer eins. Wir versuchen, aus jedem Spiel das Bestmögliche herauszuholen.

Apropos allerletzte Sekunde: Sie wechselten quasi mit Schließung des Wintertransferfensters nach Darmstadt. Was waren die ausschlaggebenden Faktoren, die Sie zu einem Wechsel bewegt haben? Welche Perspektive wurde Ihnen aufgezeigt?

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Man sollte sich nicht von der Tabellensituation blenden lassen. Darmstadt ist einfach ein gut geführter und stabiler Verein. Der Trainer war sicherlich ein wichtiger Faktor. Ich habe Darmstadt nur positiv in Erinnerung – auch aus meiner Hoffenheimer Zeit. Man darf nicht vergessen: Das ist immer noch Bundesliga. Das weiß ich zu schätzen. Ich habe Darmstadt anderen Möglichkeiten ganz bewusst vorgezogen.

Mit Torwart Michael Esser spielten Sie bereits zusammen bei Sturm Graz, werden darüber hinaus noch von derselben Agentur (MK Sport Consulting) in sportlichen Angelegenheiten beraten. Wie würden Sie Ihr Verhältnis beschreiben und inwieweit hatte auch er einen Anteil an ihrem Transfer im Winter?

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Ich bin mit ihm ganz gut befreundet, das ist richtig. Wir hatten schon eine schöne gemeinsame Zeit in Österreich. Genauso gut verstehe ich mich aber auch mit anderen Mitspielern wie Terrence Boyd oder Sidney Sam. Auch in anderen Vereinen habe ich Freunde, wie Marco Höger vom 1. FC Köln oder Lewis Holtby, der beim HSV spielt.

Darmstadt ist für Ihren Coach Torsten Frings die allererste Station als Cheftrainer im Profifußball. Auch wenn die Resultate es nicht direkt widerspiegeln, wirkt es so, als erreiche er die Mannschaft und hätte ihr neuen Mut eingehaucht. Wie würden Sie die Arbeit Ihres Trainers beurteilen?

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Torsten Frings war ja immerhin schon Co-Trainer in Bremen, wo er schon mit gestandenen Spielern zusammengearbeitet hat. Ich habe da ein ganz eigenes Bild: Für mich sind Co-Trainer und Trainer gleich wichtig, sie arbeiten beide zusammen. Frings findet eine sehr, sehr gute Mischung. Natürlich auch aufgrund seiner unmittelbaren Vergangenheit als Spieler. Er steckte ja quasi gestern noch selbst im Trikot. Er weiß, wie er uns anpacken muss. Mal motiviert er, mal pikst er, mal kritisiert er. Dafür hat er ein feines Gespür. Er kam in einer schwierigen Situation, man sieht aber schon eine Veränderung. Unter ihm wehren wir uns und gestalten die Spiele ausgeglichen. Er macht eine gute Arbeit.

Torsten Frings lobt Ihre Laufstärke und Ihre resolute Zweikampfführung. Dazu sind Sie variabel im defensiven Mittelfeld und der Innenverteidigung einsetzbar. Attribute, die gerade im Abstiegskampf äußerst nützlich sein können. Warum glauben Sie, reichte es erst am vergangenen Spieltag zu nennenswerter Einsatzzeit?

Man darf sich nicht vom Tabellenplatz blenden lassen. Ich habe hier eine funktionierende Mannschaft angetroffen. Auf meiner Position im defensiven Mittelfeld gibt es mit Peter Niemeyer, Jérôme Gondorf, Hamit Altintop oder Mario Vrancic starke Konkurrenz. Da muss ich mich nunmal hinten anstellen. Wenn man irgendwo neu hinkommt, muss man sich erstmal alles erarbeiten. Ich unterwerfe mich voll und ganz der Gruppe. Sobald ich helfen kann, bin ich da.

Schaut man sich Ihre Karriere an, so wird selbst der vermeintliche Fußballfachmann bei Ihrer vorletzten Station etwas stutzig – Panetolikos Agrinio. Wie kam es im vergangenen Sommer zu dem Entschluss, aus Österreich ausgerechnet nach Griechenland zu wechseln?

Ich bin so und froh glücklich darüber, diese Zeit hinter mir gelassen zu haben, dass ich darüber nicht mehr sprechen will. Ich hatte eine gute Zeit in Graz und bin nun zufrieden in Darmstadt. Griechenland war keine tolle Erfahrung.

Sie durchliefen in Ihrer Jugend die Stationen Köln, Aachen und Hoffenheim, kickten dort unter anderem zusammen mit Christian Clemens, Mark Uth, Marco Höger und Lewis Holtby. Welcher dieser Spieler imponierte Ihnen in Ihrer Jugend am meisten? Ab wann konnte man erkennen, wer den Sprung schafft?

Man erkennt schon in der Jugend, wer klar heraussticht. Irgendwann trennt sich die Spreu vom Weizen und man sieht, dass man mit seiner Einschätzung nicht so falsch lag. Lewis Holtby war schon immer ein Riesentalent, das in Aachen dann auch früh in die erste Mannschaft integriert wurde und wie Marco Höger oder Christoph Moritz zu Schalke gewechselt ist.

Halten Sie zu den Jungs noch Kontakt?

Wir haben da schon unsere kleine Clique, vor allem aus der Alemannia-Zeit, aus der es viele in die Bundesliga geschafft haben. Umso schöner ist es, sich jetzt auf den Bundesligaplätzen gegenüberzustehen. Nach Saisonende kommen wir jedes Jahr alle einmal zusammen und plaudern über alles Mögliche. Dann gehen wir erst in die Soccerhalle kicken und anschließend lassen wir den Abend gemeinsam ausklingen.

Geht’s dann auch um die Alemannia, die kürzlich ihre zweite Insolvenz anmelden musste?

Ich finde es schade, was da passiert. Darunter, dass die Alemannia nur noch vierte Liga spielt, leidet die ganze Stadt. Es gibt dort so viele talentierte Jungs, für die es nichts Schöneres gibt, als vor der eigenen Haustür Profifußball zu spielen. Zumindest ist das bei mir so. Wenn ich etwa die Wahl zwischen Hamburg oder Aachen hätte, würde ich mich immer für den Heimatverein entscheiden. Aber aus der Situation kommt die Alemannia wohl nur noch mithilfe chinesischer Investoren raus.

Oder Wilson Kamavuaka kommt zurück.

Ja, genau. Dann trommel ich alle Jungs zusammen und wir kehren gemeinsam zurück. Bei unseren Treffen nach Saisonende haben wir tatsächlich schon gescherzt: Mit 33, 34 Jahren, wenn bei uns gar nichts mehr geht, spielen wir alle zusammen für unseren Heimatverein.

Sie sind auch Ex-Spieler des 1. FC Köln und der TSG Hoffenheim: Glauben Sie, beide Vereine werden in der kommenden Saison in Europa vertreten sein? Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann auch noch einmal für einen der beiden Vereine aufzulaufen?

Beide Mannschaften spielen eine äußerst stabile Saison. Da ist ein Plan dahinter. Gerade für den FC wäre es natürlich was ganz Besonderes. Als Dürener kann ich nur sagen, dass ich gerne in Köln bin. Der Dom, die offenen Leute, alles sehr polarisierend. Der Europacup würde der Stadt einen Kick geben. Dort ist eine Veränderung zu sehen, seit Jörg Schmadtke die Geschicke führt. Ein sehr fähiger Mann, den ich noch aus Aachen kenne. Ich wünsche es auch der TSG, damit nicht immer nur dieselben Klubs international vertreten sind. Das finde ich langweilig.

Sie debütierten bereits mit 20 Jahren für die Nationalmannschaft des Kongo. Heute spielen Sie dort Seite an Seite mit Topspielern wie Yannick Bolasie oder Cédric Bakambu. Kann man sich von diesen Jungs noch etwas abgucken oder sehen Sie sich mit 27 Jahren selbst schon in einer Führungsrolle?

Das Alter spielt in meinen Augen keine Rolle. Entweder du bist gut oder weniger gut. Wenn einer gut ist, guckt man sich das ein oder andere bei ihm ab. Natürlich schaut man zu den Topspielern wie Bolasie auf. Vieles läuft aber auch über Gespräche, man tauscht sich lange miteinander aus und geht spät schlafen. Das ist zwar nicht optimal zur Spielvorbereitung, aber wertvoll, um neue Eindrücke zu erlangen. Jede Unterhaltung bringt einen weiter. Von der Nationalmannschaft kann ich immer was mitnehmen.

Zurück in Darmstadt: Sowohl Ihr Vertrag, als auch die Kontrakte einiger anderer Spieler gelten auch für die zweite Liga. Gab es schon Gespräche, wie man mit Ihnen in der zweiten Liga plant?

Wir sind noch in der ersten Liga. Persönliche Schicksale spielen da keine Rolle. Ich kann ja nicht zum Vorstand oder Trainer gehen: Hey, wie sieht es aus in der zweiten Liga? Das wäre das vollkommen falsche Zeichen. Darüber sprechen wir erst, wenn es tatsächlich so weit kommt.

Angenommen, im Sommer klopft ein anderer Verein aus der Bundesliga an: Würden Sie einen Wechsel in Betracht ziehen?

Die Möglichkeit gibt es Stand heute nicht. Warum soll ich mir also darüber Gedanken machen. Ich bin sehr gerne in Darmstadt und bin voll fokussiert auf die Aufgabe.

Sind Ihre Lieblingsspieler eigentlich immer noch Patrick Vieira und Yaya Touré und wenn ja, was imponiert Ihnen besonders?

Klar, das ist noch aktuell. Vieira war ein super Sechser. Touré macht einfach kaum Fehler, hat immer den Kopf oben. Beide sind Vorbilder für mich. Aus der Bundesliga möchte ich aber unbedingt noch meinen Freund Luiz Gustavo dazu zählen, den ich noch aus Hoffenheim kenne.

Was zeichnet ihn aus?

Was viele nicht wissen: Eigentlich ist er gelernter Linksverteidiger. Ralf Rangnick stellte ihn damals ins Mittelfeld, weil er so wahnsinnige Qualitäten in der Balleroberung hat. Wenn ich ihn grätschen sehe, bin ich regelrecht verliebt. Es gibt viele Spieler, die Zweikämpfe gewinnen. Er aber hat gleich den Kopf wieder oben und grätscht so, dass er den Ball weiterverteilen kann. Er stiehlt den Ball regelrecht vom Gegner, beeindruckend.

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