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Amine Adli im FT-Interview: „Wusste genau, dass es einen Elfmeter geben muss“

Die zwei von ihm herausgeholten Elfmeter haben eine Woche später zur Entlassung von Julian Nagelsmann geführt. Im Interview mit FT spricht Amine Adli unter anderem über den jüngsten 2:1-Sieg gegen den FC Bayern, seine Entwicklung bei Bayer Leverkusen und Trainer Xabi Alonso.

von Die Redaktion
12 min.
Amine Adli im FT-Interview: „Wusste genau, dass es einen Elfmeter geben muss“ @Maxppp

FussballTransfers: Sie kommen mit einer Menge Schwung zur französischen U21-Nationalmannschaft. Sie sind bei Bayer Leverkusen in Topform und haben gerade eine sehr starke Leistung gegen den FC Bayern gezeigt.

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Amine Adli: Ich war mit meiner Leistung und der der Mannschaft zufrieden. Es ist immer schön, gute Spiele gegen große Mannschaften zu machen. Für solche Spiele spielen wir. Dort können wir zeigen, dass wir Qualitäten haben und uns gegen solche Spieler behaupten können.

Kuriose Elfmeter gegen Bayern

Erzählen Sie uns ein wenig über dieses verrückte Spiel und die emotionale Achterbahnfahrt, die Sie durchlebt haben.

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Die emotionale Achterbahnfahrt begann in der ersten Halbzeit. Wir spielten eine tolle Hälfte. Sie (die Bayern, Anm. d. Red.) schießen mit ihrer einzigen Chance ein Tor. Wir waren ein bisschen frustriert, aber der Trainer schaffte es, in der Kabine die richtigen Worte zu finden. Wir kamen motiviert wieder heraus und dann waren da noch diese speziellen Ereignisse.

Sie sprechen über die zwei Elfmeter, die Sie herausgeholt haben, für die Sie aber zunächst jeweils eine Gelbe Karte gesehen haben. Erst nach VAR-Eingriff zeigte der Schiedsrichter auf den Punkt. Beim ersten Elfmeter wirkten Sie aufgebracht, beim zweiten Elfmeter dann resigniert.

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Ja, das war der Moment, in dem wir wieder ins Spiel kommen konnten, denn ich wusste ganz genau, dass es einen Elfmeter geben muss. Ich sagte mir, dass es eine echte Chance ist, noch dazu gegen die Bayern, den Ausgleich zu erzielen. Der Schiedsrichter traf in diesem Moment die falsche Entscheidung. Ich war sehr verärgert. Dann gab es den Eingriff des VAR, der diese Ungerechtigkeit aus der Welt geschafft hat. Ich war etwas froh, dass man mich nicht als Lügner bezeichnete. Beim zweiten Mal war es ähnlich, aber in dem Moment war ich ruhiger. Ich sagte ihm (Schiedsrichter Tobias Stieler, Anm. d. Red.) direkt: Beim ersten Mal habe ich Sie nicht belogen und auch dieses Mal werden Sie sehen, dass es ein Fehler war. Am Ende gelang es uns, das Spiel zu gewinnen, wir sind sehr glücklich.

„Fühle mich gut“

Wie fühlen Sie sich? Sowohl körperlich als auch mental? Sind Sie im Moment auf Ihrem Höhepunkt? Man spürt, dass Sie sehr durchschlagskräftig sind, mit viel Intensität, aber auch entscheidend in der gefährlichen Zone und im Abschluss.

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Auf dem Höhepunkt? Ich weiß nicht. Man weiß nie, wann man auf dem Höhepunkt ist. Aber ja, ich denke, dass ich mich in einer guten Form befinde. Mental und körperlich fühle ich mich gut. Ich bin entspannt und glücklich, auf dem Platz zu sein. Alles ist in Ordnung.

Wie beurteilen Sie im Nachhinein Ihre erste Saison in Deutschland (vier Tore und vier Vorlagen in insgesamt 34 Spielen, Anm. d. Red.), auch mit Blick auf Ihren Sehnenriss?

Für meine erste Saison war sie gut. Ich denke, ich habe es geschafft, viel Spielzeit zu bekommen. Auch wenn ich die Chancen, die ich mir erarbeitet habe, besser hätte nutzen können. Ich hatte die Möglichkeit, meine Qualitäten zu zeigen, bevor ich mich verletzte. Natürlich wollte ich das in diesem Jahr bestätigen, um die Erwartungen an mich zu erfüllen.

„War emotional sehr schwierig“

Kurz nach der ersten Verletzung haben Sie einen Schlüsselbeinbruch erlitten. Wie haben Sie diese Zeit wahrgenommen?

Um die Wahrheit zu sagen, war die zweite Verletzung schwieriger zu schlucken als die erste. Bei der ersten habe ich mich bei der französischen Nationalmannschaft verletzt, in einer Phase, in der ich körperlich müde war. Ich habe es akzeptiert. Es war etwas, das aufgrund des körperlichen Gefühls, das ich hatte, passieren musste. Aber es war emotional sehr schwierig. Ich hatte sechs Monate gearbeitet, um zurückzukommen. Ich verpasste sehr viele Spiele und den Saisonstart. In dem Moment, in dem ich wieder fit bin und der Trainer das spürt, schickt er mich für die letzten Minuten auf den Platz und ich breche mir das Schlüsselbein.

Worauf stützt man sich in solchen Momenten?

Zum Glück hatte ich meine Familie und meine engsten Vertrauten als Hilfe. Alle waren für mich da. Man versucht, den Kopf freizubekommen, den Fußball für kurze Zeit zu vergessen, konzentriert sich auf die Behandlung, um so schnell wie möglich wieder fit zu sein. Du musst den Frust schnell loswerden, du musst ihn zwar akzeptieren, aber darfst ihn nicht zu lange mit dir rumtragen. Das nagt an dir und hilft nicht bei der Heilung.

Hat Ihnen diese Zeit auch geholfen?

Durch meine erste Verletzung habe ich verstanden, dass es das Wichtigste ist, auf seinen Körper zu hören. Ich war enorm müde. In Bezug auf meinen Körper hatte ich, wie ich schon sagte, das Gefühl, dass etwas passieren würde. Ich konnte keine Leistung mehr bringen, ich musste mich ein wenig ausruhen. Ich wurde mir des Schlafs, der Ernährung, der Flüssigkeitszufuhr und des mentalen Aspekts bewusster. Der Platz ist die Realität, aber was es uns ermöglicht, auf dem Platz Leistung zu bringen, ist alles, was drum herum passiert. In meinem Fall hat mir die freie Zeit, die ich hatte, dabei geholfen, bei meiner Rückkehr noch leistungsfähiger zu sein.

Wie passt das alles zusammen?

Als ich die Verletzung hatte, hat mich mein Fitnesstrainer an einen Ernährungsberater vermittelt, um zu sehen, wie ich meine Ernährung umstellen und wie ich bestimmte Gerichte anpassen könnte, sodass sie mir immer noch schmecken, ich aber gleichzeitig die nötigen Proteine zu mir nehme und mein Optimalgewicht erreichen kann. Es ging um eine ausgewogenere Ernährung.

Worin haben Sie sich verbessert und was können Sie noch verbessern?

In meinem Abschluss bin ich viel reifer. Ich habe einen größeren Einfluss auf das Spiel meiner Mannschaft, sei es durch Pressing, Dribblings, beim Kreieren von Räumen oder Chancen mit Flanken und Pässen. In diesem Aspekt kann ich mich aber immer noch verbessern. Ich muss weiter an mir arbeiten und mich in jedem Spiel neu beweisen, um das Vertrauen der Mannschaft und des Trainers zu gewinnen und mich unverzichtbar zu machen. Körperlich kann ich noch Fortschritte machen, was die Zweikampfhärte, die Laufintensität und die Klarheit meines Spiels angeht.

„Moussa Diaby war eine große Hilfe für mich“

Das sind Qualitäten, die hervorragend zur Bundesliga passen. Sie bereuen sicher nicht, dass Sie so früh in die Bundesliga gewechselt sind?

Ich bin zufrieden und froh, dass ich in diese ausgeglichene Liga gekommen bin, in der jungen Spielern viel Vertrauen entgegengebracht wird. Es gibt enorm viele Chancen. Als Offensivspieler macht es wirklich Spaß.

Es bestätigt sich wieder mal, dass Deutschland ein gutes Pflaster für junge Spieler ist. Viele Spieler aus der Ligue 1 wandern dorthin ab. Warum passt das so gut zusammen?

Die Vereine vertrauen jungen Spielern. In den französischen Akademien lernen wir Offensivspieler Tempo und Technik einzusetzen und zu dribbeln. Das sind zwangsläufig Dinge, die in Deutschland geschätzt werden und in der Bundesliga durch die Spielweise zur Geltung kommen. Es gibt viele Eins-gegen-Eins-Situationen, Bälle in den Rücken der Abwehr, Räume und Sprints. Die Ausbildungsmerkmale der französischen Spieler entsprechen dem deutschen Fußball sehr.

In Leverkusen sind Sie auf einen anderen Franzosen getroffen: Moussa Diaby. Wie wichtig ist er für Sie?

Schon bevor ich unterschrieben habe, schickte er mir eine Nachricht. Er hat mich super empfangen, ich habe mich sofort wohlgefühlt. Er hat mir alles erklärt und mich unter seine Fittiche genommen. Zumal er ein Offensivspieler ist, der in der Bundesliga gute Leistungen bringt. Er war in allem super hilfsbereit. Ich habe ihn viel beobachtet. Er ist ein Top-Profi. Er hat mir bewusst gemacht, wie man seinen Körper pflegt, um alle drei Tage Leistung bringen zu können. Moussa spielt die ganze Zeit, ohne verletzt zu sein. Er treibt mich nach oben und war mir im Verein eine große Hilfe. Darüber hinaus haben wir eine tolle Mannschaft, die ziemlich jung ist. Wir sind alle eng befreundet. Wir haben auch viel Spaß mit Jeremie Frimpong, Florian Wirtz, Edmond Tapsoba, Jonathan Tah und Odilon Kossounou. Wer ein bisschen Französisch spricht, zu dem haben wir natürlich eine engere Bindung.

„Xabi Alonso ist ein Trainer, der dir Respekt einflößt“

Erzählen Sie uns ein bisschen über Xabi Alonso, den Trainer. Wie ist er im Alltag?

Er ist sehr gut für uns. Er hat etwas Neues angestoßen. Er ist ein Trainer, der schon bei seiner Ankunft Respekt vor seiner Karriere einflößt. Man hört ihm zwangsläufig zu, wenn er einen Ratschlag gibt. Er bringt viel Charisma mit. Er ist ein Typ mit Winner-Mentalität. Überall, wo er war, hat er gewonnen. Diesen Geist hat er mitgebracht. Er hat am Anfang simple Dinge eingefordert, aber er ist auch immer noch Spanier – er liebt das schöne Spiel, das gefällt mir gut.

Wie arbeitet Xabi Alonso im Trainingsalltag?

Wir machen viele Spiele. Er arbeitet gerne an der taktischen Umsetzung, also wie sich die Mannschaft mit dem Ball verhält. Wir arbeiten sehr viel an den Ballübergaben oder an den Abläufen in der Offensive, wie wir angreifen werden, welche Bewegungen wir machen müssen. Wir üben sehr viel die Abläufe in diesem Stil ein, damit es am Spieltag wie von selbst läuft und wir Anhaltspunkte haben. Er mag diesen Spielstil sehr, dass sich jeder Spieler am Ballführenden orientiert. Er mag es nicht, wenn der Ballführende auf sich allein gestellt ist. Er möchte, dass jeder eine Lösung anbietet. Ich denke, das ist es, was sich in unserem Fußball geändert hat. Jeder will den Ball haben und ist beteiligt. Die Gefahr kann von jedem ausgehen, das hat er uns bewusst gemacht.

Wie ist seine Beziehung zu Ihnen und den anderen Spielern?

Er ist den Spielern auf dem Platz sehr nahe, denn er spricht und ermutigt sehr viel – auch im Training. Wenn du einen Fehler machst, steht er hinter dir. Wenn du etwas gut machst, teilt er es dir direkt mit und sagt, dass es ihm gefällt. Er bringt einem viel Vertrauen entgegen und hat eine positive Einstellung zu den Spielern. Er ist nicht jemand, der beleidigend wird. Wenn du zum Beispiel etwas verpasst, wird er es dich natürlich wissen lassen, dir sagen „wach auf, komm mal im Training an“, aber nie bösartig. Und wenn wir zum Beispiel Torabschlüsse trainieren, lässt er die Stürmer nicht nach einer Parade gehen. Erst wenn du ein Tor geschossen hast, darfst du in die Kabine gehen.

Bayer verfügt über sehr großes Offensivpotenzial. Wie geht Xabi Alonso mit dem Konkurrenzkampf im Kader um, wie moderiert er diesen?

Wir spüren den Konkurrenzkampf nicht so sehr. Wir leben alle dafür, als Mannschaft gut zu spielen, da gibt es Platz für alle. Der Trainer ist sich dessen bewusst. Er lässt die spielen, die es sich verdient haben und von Zeit zu Zeit ist er in der Lage, einige auf die Bank zu setzen, um anderen ihre Chance zu geben. Wir haben eine sehr schöne offensive Qualität. Es ist schön, mit solchen Spielern zu spielen, das macht die Dinge einfacher. Es macht einfach nur Spaß.

„Wollen in der EL etwas erreichen“

Was sind die Ziele der Mannschaft für das Ende der Saison? Sie haben neun Punkte Rückstand auf die Top4 in der Liga, wäre Ihre beste Chance, in die Champions League zu kommen, nicht der Gewinn der Europa League?

Wenn du im Viertelfinale eines Europapokals stehst und nicht das Ziel hast, ihn zu gewinnen, kannst du auch direkt aufgeben. Ohne uns selbst unter Druck zu setzen, streben wir danach, in der Europa League etwas zu erreichen. Wir werden alles dafür tun. Unser Ziel ist es, den bestmöglichen Saisonabschluss in der Bundesliga zu erreichen, da dies der wichtigste Wettbewerb ist, um Europa zu erreichen. Wir befinden uns derzeit in einer guten Form. Wir werden versuchen, unser Bestes zu geben, um unseren schlechten Saisonstart wieder wett zu machen.

Sie werden am kommenden Samstag und Dienstag als Generalprobe für die U21-EM im Sommer gegen zwei Größen (England und Spanien, Anm. d. Red.) des europäischen Fußballs antreten. Wie gehen Sie in diese Spiele?

Wir freuen uns alle darauf, gegen sehr gute Nationen zu spielen. Denn nach solchen Spielen wissen wir, wo wir stehen. Wir sind alle sehr gespannt.

U21-EM & karitatives Engagement

Was ist das Ziel für die EM im Sommer, wenn Sie mit Italien, der Schweiz und Norwegen in der Gruppenphase sind? Frankreich hat immer noch sehr talentierte und vielversprechende Jugendspieler und Sie sind seit zehn Spielen ungeschlagen.

Ich würde nicht sagen, dass es einen Favoriten gibt. Aber ich denke, angesichts der Qualität, die die französische U21-Nationalmannschaft hat, sind wir uns alle einig, dass wir die EM spielen, um sie auch zu gewinnen. Ohne sich selbst unter Druck zu setzen oder arrogant zu sein. Aber nur mit Blick auf die Qualität der Spieler, die bei uns dabei sein werden, auf die Qualität, auf unsere Leistungen in unseren jeweiligen Vereinen… Natürlich können wir auch verlieren, das kommt vor. Aber das Ziel von Anfang an, ohne es zu verheimlichen, ist es, den Titel zu holen. Wenn wir vorher ausscheiden, ist das eben so, aber das wäre dann zwangsläufig ein Misserfolg.

Wie ist es, mit Manu Koné in der Nationalmannschaft zu sein?

Ich freue mich, mit ihm zusammen zu sein, das ist immer ein Vergnügen. Wir leben in Deutschland nicht weit voneinander entfernt und sehen uns regelmäßig. Wenn wir hier zusammen sind, erinnert uns das ein bisschen an unsere Zeit im Ausbildungszentrum in Toulouse. Wir waren da jeden Tag zusammen und lachten sehr viel. Es macht Spaß, wieder zusammenzuspielen, sich Pässe zuzuspielen, denn normalerweise spielen wir in der Bundesliga gegeneinander. Wenn man mir das vor ein paar Jahren gesagt hätte, hätte ich das nie geglaubt. Es ist schön, man genießt es in vollen Zügen.

Sie engagieren sich karitativ für Waisenkinder aus Marokko. Liegt Ihnen dieses Thema besonders am Herzen?

Es war mir schon immer bewusst, dass andere Menschen in Armut und in schwierigen Verhältnissen leben. Mit dem Fußball sowie der damit einhergehenden Medienpräsenz und unserem Einkommen haben wir Spieler enormes Glück. Etwas Wichtiges aus meinem Geld zu machen, das hat mich immer angesprochen. Es war mir immer ein Anliegen, mich zu engagieren. Zunächst in dem Land, in dem meine Wurzeln liegen. Meine Eltern kommen von dort, ich mache dort oft Urlaub, habe dort Familie und bin sehr mit dem Land verbunden. Es ist also normal, den Kindern dort zu helfen, das war für mich natürlich und logisch. Ich würde mich schlechter fühlen, wenn ich es nicht tun würde. Ich bin zufrieden, wenn ich so vielen Menschen wie möglich helfen kann.

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