Am 14. Juni fiel der Startschuss zur Europameisterschaft 2024 in Deutschland. Belgien ist einer der Geheimfavoriten – mal wieder. FT wirft einen detaillierten Blick auf die Ausgangssituation der Roten Teufel.
Aktuelle Form
Nach dem blamablen Gruppen-Aus bei der WM 2022 qualifizierte sich der ewige Geheimfavorit mühelos für die Endrunde der Europameisterschaft in Deutschland. Acht Siege und zwei Unentschieden (jeweils 1:1 gegen Österreich und Schweden) reichten in Quali-Gruppe F für den ersten Platz noch vor den ebenfalls stark aufspielenden Österreichern. Vor allem offensiv lief es bei den Roten Teufeln wie geschmiert – 22 Tore in acht Spielen sind der zweitbeste Wert der Qualifikation. In diesem Jahr kamen die Kicker von Coach Domenico Tedesco jedoch noch nicht so ganz ins Rollen. In den Freundschaftsspielen gegen Irland (0:0) und bei dem insgesamt eher schmeichelhaften Unentschieden gegen England (2:2) ließ das Team spielerisch einiges vermissen.
Stärken & Schwächen
Von Belgiens Goldener Generation sind nur noch einige wenige Säulen übriggeblieben. Diese bilden nach wie vor das Rückgrat der Mannschaft und sollen die neue Generation an talentierten Jungprofis führen. In der Offensive ist unser Nachbarland noch immer überdurchschnittlich gut besetzt: Spielmacher Kevin De Bruyne, Europa League-Sieger Charles De Ketelaere sowie die Premier League-Flügelstürmer Jérémy Doku und Leandro Trossard füttern Sturmtank Romelu Lukaku (bereits 83 Länderspieltore) mit Bällen.
Probleme bereitet jedoch die Defensive – hier fehlt es der Mannschaft an Qualität. Es beginnt bereits im Tor. Eigentlich sind die Belgier mit einem absoluten Weltklasse-Keeper gesegnet. Thibaut Courtois hat sich jedoch mit Trainer Tedesco zerstritten und wurde im vergangenen Jahr endgültig aus dem Team geworfen. Um seinen Platz im Kasten stritten sich Koen Casteels und Matz Sels – beide sind grundsolide, mehr aber häufig auch nicht. Eine endgültige Entscheidung über die Nummer eins hat Tedesco inzwischen getroffen. Casteels soll für einen sicheren Rückhalt sorgen. In der Abwehrreihe hat noch immer der 37-jährige Vertonghen das Sagen. Ihm zur Seite stehen Spieler, denen das absolute Top-Niveau fehlt.
Der Trainer: Domenico Tedesco
Die Ernennung von Tedesco zum belgischen Nationaltrainer kam für viele überraschend. Der Deutsch-Italiener hatte sich seine Meriten bis dato ausschließlich im Vereinsfußball verdient: Einige Anstellungen im Jugendbereich, dann Cheftrainerposten bei Erzgebirge Aue, Schalke 04, Spartak Moskau und RB Leipzig. Mit den Sachsen gewann er 2022 immerhin den DFB-Pokal, wurde aber kurz darauf bereits wieder entlassen.
Bei den Belgiern macht der sprachgewandte Coach (spricht sechs Sprachen) bislang einen guten Job. Er gewann sechs seiner sieben Pflichtspiele und seine Elf zeigte dabei guten Offensivfußball. In einem Testspiel im März des vergangenen Jahres wurde Deutschland mit 3:2 bezwungen. Einzig der Zoff mit Courtois, der größtenteils medial begleitet wurde, sorgte für Missstimmung.
Der Star & Kapitän: Kevin De Bruyne
Der unumstrittene Star und Anführer der Mannschaft ist Manchester Citys Spielmacher Kevin De Bruyne. Zwar hat der Rotschopf mittlerweile den Herbst seiner Karriere erreicht und wird immer verletzungsanfälliger, doch in der Rückrunde der abgelaufenen Premier League-Saison zeigte er erneut, warum Pep Guardiola ihn unbedingt bei City halten möchte. In 18 Partien erzielte De Bruyne vier Treffer und legte zehn weitere auf. Der 32-Jährige bestimmt den Rhythmus des Spiels, kann jederzeit mit einem einzigen Pass eine Abwehr auseinandernehmen und ist auch im Abschluss brandgefährlich. Vor allem seine Standards dürften bei der EM ein wichtiges Mittel sein. Mit Lukaku, Onana, Faes und Vertonghen gibt es einige kopfballgefährliche Abnehmer.
Player to watch: Amadou Onana
Dass Amadou Onana eine große Karriere bevorstehen könnte, ahnten vor drei Jahren bereits einige Experten, als der junge defensive Mittelfeldspieler den Hamburger SV in Richtung OSC Lille verließ. Mittlerweile kickt der 22-Jährige beim FC Everton in der Premier League und hat sich in der besten Liga der Welt etabliert. Onana ist eine echte Holding Six, wie sie Thomas Tuchel beim FC Bayern München vermisst hat. Der 13-fache Nationalspieler besticht durch eine saubere Technik und eine gute Spieleröffnung, ist aber auch ein echter Abräumer. Daher kann er sowohl auf der Doppelsechs zusammen mit Orel Mangala als auch als alleiniger Sechser auflaufen. In der abgelaufenen Saison wurde der 1,95 Meter große Mittelfeldspieler mit mehreren Spitzenvereinen in Verbindung gebracht, darunter Manchester United, der FC Barcelona und eben die Bayern.
Die Topelf
Die FT-Prognose
Belgiens Goldene Generation hat bisher keinen einzigen Titel gewonnen und dabei wird es wohl auch bleiben. Das aktuelle Team von Trainer Tedesco ist eher eine Art Übergangsmannschaft. Die letzten verbliebenen Recken der Weltmeisterschaft 2014 geben ihren Ausstand, während junge Talente wie Doku, Bakayoko, Debast und Vermeeren noch ihre Zeit brauchen werden, um ihr Potenzial ganz zu entfalten. Besonders die Defensive ist qualitativ zu schwach und nicht titelreif. In der absolut machbaren Gruppe E trifft Belgien auf die Slowakei, die Ukraine und Rumänien. Der Gruppensieg sollte das Ziel sein. Anschließend kommt es auf die Gegner an. Das Viertelfinale ist möglich, das Halbfinale wäre ein großer Erfolg.
Der EM-Kader von Belgien
Torhüter
- Koen Casteels (31/VfL Wolfsburg)
- Thomas Kaminski (31/Luton Town)
- Matz Sels (32/Nottingham Forest)
Abwehr
- Timothy Castagne (28/FC Fulham)
- Zeno Debast (20/RSC Anderlecht)
- Maxim De Cuyper (23/FC Brügge)
- Wout Faes (26/Leicester City)
- Thomas Meunier (32/Trabzonspor)
- Arthur Theate (24/Stade Rennes)
- Jan Vertonghen (37/RSC Anderlecht)
- Axel Witsel (35/Atlético Madrid)
Mittelfeld
- Yannick Carrasco (30/Al Shabab)
- Kevin De Bruyne (32/Manchester City)
- Charles De Ketelaere (23/Atalanta Bergamo)
- Orel Mangala (26/Olympique Lyon)
- Amadou Onana (22/FC Everton)
- Youri Tielemans (27/Aston Villa)
- Arthur Vermeeren (19/Atlético Madrid)
- Aster Vranckx (21/VfL Wolfsburg)
Angriff
- Jeremy Doku (22/Manchester City)
- Johan Bakayoko (21/PSV Eindhoven)
- Romelu Lukaku (31/AS Rom)
- Dodi Lukebakio (26/FC Sevilla)
- Lois Openda (24/RB Leipzig)
- Leandro Trossard (29/FC Arsenal)
Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 29. Mai 2024 um 21:06 Uhr und wurde nun kurz vor EM-Auftakt der Belgier nochmal überarbeitet.
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