Zum zweiten Mal wechselte Henrikh Mkhitaryan – begleitet von reichlich Vorschusslorbeeren – zu einem europäischen Topklub. Nach Borussia Dortmund war sich nun Manchester United sicher, eine Verstärkung für die Offensive an Land gezogen zu haben. Doch zum zweiten Mal scheint sich der Armenier nicht wie erhofft zurechtzufinden.

Mit der Last, öffentlich als Götze-Nachfolger im Sommer 2013 zur Borussia nach Dortmund zu wechseln, kam Henrikh Mkhitaryan zunächst überhaupt nicht klar. Es folgten zwei Saisons, in denen der Armenier reichlich Tiefen und nur wenige Höhen zeigte. Konstanz ist hier das Stichwort. Erst zum Ende der Rückrunde der Spielzeit 2014/15 begann der beidfüßige offensive Mittelfeldspieler das zu zeigen, was den BVB dazu bewegten den Rekordtransfer zu realisieren. 27,5 Millionen Euro flossen in die Ukraine zu Shakhtar Donetsk.
Den Durchbruch im Ruhrgebiet schaffte Mkhitaryan, mit knapp zwei Jahren Verzug, in der vergangenen Saison. Er spielte wie entfesselt auf und katapultierte sich mit 55 Scorerpunkten in 52 Pflichtspieleinsätzen auf sämtliche Scoutingbögen Europas. Vor dieser deutlichen Leistungssteigerung fragten sich viele Fans in schwarz-gelb, womit die Transfersumme für Micky gerechtfertigt werden würde.
Ähnlich dürfte nun die Stimmung im Fanlager von Manchester United sein. United überwies in diesem Sommer 42 Millionen Euro für den Top-Vorlagengeber der vergangenen Bundesligasaison. Die Fans dürften sich angesichts der wenigen Einsatzminuten – in denen Mkhitaryan zudem kaum Werbung in eigener Sache machte – fragen, ob sie nicht fälschlicherweise einen deutlich weniger talentierten 27-jährigen Armenier verpflichtet haben, der ebenfalls auf den Namen Henrikh Mkhitaryan hört.
Watzke sieht sich bestätigt und tritt nach
Für viele ist es nicht überraschend, dass Mkhitaryan seine Leistung nicht über die Saison, und erst recht nicht in den neuen Verein hinein konservieren konnte. Schließlich gilt er doch als sensibler Spieler, der das absolute Vertrauen seiner Umgebung und seines Trainers benötigt um seine Leistung abzurufen. Die Zweifel, die den Wechsel nach Manchester begleiteten, verdeutlichte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke im Interview mit dem ‚kicker‘. Er sieht sich aufgrund der sportlichen Situation seines ehemaligen Angestellten bestätigt: „Jeder intelligente Spieler sollte sich vorher Gedanken machen, in welches Umfeld er wechselt.“ In seinen Worten klingt viel Unverständnis und vermutlich auch etwas Enttäuschung mit, was er im weiteren Verlauf verdeutlicht: „Wenn man in einem funktionierenden Umfeld wie in Dortmund spielt, ist es zweifelhaft, das gleich wieder herzuschenken, wenn es nach langer Anlaufzeit endlich funktioniert.“
Als enttäuschend empfanden den Transfer des Edeltechnikers viele in Schwarz-Gelb. Mkhitaryan wurde während seiner Zeit in Dortmund mit Geduld, Zuneigung und Fürsorge überschüttet. Ständig hatte man Angst, der zerbrechliche Fußballphilosoph könnte an einem zu harten Umgang eingehen – wie ein zartes Pflänzchen. Als Beispiel wären die Champions League-Viertelfinalpartien gegen Real Madrid im Jahr 2014 anzuführen, in denen Mkhitaryan die Borussia im Alleingang ins Halbfinale hätte schießen können. Doch ihm versagten im Abschluss abermals die Nerven.
Diese traumatischen Spiele sowie viele weitere – aus fußballerischem Gesichtspunkten – tragische Wochen und Monate überwand Micky durch die verbalen Streicheleinheiten aller Verantwortlichen und Zuschauer des BVB. Gemeinsam hatte man den zurückhaltenden Spielmacher in der vorigen Saison mit zwei Jahren Vorlaufzeit aus den Tiefen bis in die höchsten Sphären des europäischen Fußballs gepflegt.
„Es ist am besten, wenn er weiterkämpft“
Ob sich das Umfeld des Weltklubs Manchester United ähnlich wie das Dortmunder in Geduld übt, erscheint sehr fraglich. Für die Zuschauer sind Transfers in der Größenordnung Mkhitaryans an der Tagesordnung. Funktioniert ein Neuzugang nicht wie erwünscht, wird er in naher Zukunft ausgetauscht. Dies erfuhr Shinji Kagawa am eigenem Leib. Nach zwei unkonstanten Jahren bei seinem Traumverein wechselte Kagawa zur Freude der BVB-Fans zurück ins Revier. Auch die Anhänger hatten an der Rückholaktion ihres Publikumslieblings ihren Anteil. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich #FreeShinji in den sozialen Netzwerken.
José Mourinho, der seit diesem Sommer das Zepter rund um das Old Trafford schwingt, dürfte das fast chronische Bedürfnis Mkhitaryans nach Harmonie und Zuneigung auf Dauer nicht stillen. Der portugiesische Kulttrainer ist nicht dafür bekannt, dass er Spielern mehrmals eine Chance gibt, sich zu beweisen. Die erste hat Mkhitaryan zu Saisonbeginn und spätestens mit seiner Leistung im Manchester-Derby vertan. Danach zwang ihn eine Muskelzerrung zum Pausieren.
Zumindest öffentlich stellte The Special One nun weitere Einsätze in Aussicht, die er allerdings an eine Bedingung knüpfte: „Er müsse weiter hart arbeiten, um die Intensität und Fitness zu erlangen, die er auf hohem Niveau benötigt. Das ist notwendig, um ihn dann von der Bank aus für 15 bis 20 Minuten zu bringen. Es ist am besten, wenn er weiterkämpft und auf seine Chance wartet, aber er wird bald wieder dabei sein.“ Sollte die Nummer 22 der Red Devils die nächste Chance nicht nutzen, könnte er schneller auf das Abstellgleis gelangen, als ihm lieb ist. Posts unter dem Hashtag #FreeMicky wird es in Zukunft in den sozialen Netzwerken wohl nicht geben.
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