Für 3,5 Millionen Euro ist Florian Kainz in diesem Sommer zum SV Werder gewechselt. Im Interview mit FT spricht der Außenstürmer über die österreichische Tradition bei Werder, seine Lieblingsposition sowie den neuen Mitspieler und Konkurrenten Serge Gnabry.
FT: Gut zwei Monate sind Sie beim SV Werder. Wie haben Sie sich in der Stadt und im Team eingelebt? Wo liegen die Unterschiede zwischen Rapid und Werder?
Florian Kainz: Ich habe mich vor allem im Team sehr gut eingelebt. Von der Stadt, muss ich sagen, habe ich noch nicht allzu viel mitbekommen, weil wir zu Beginn rund drei Wochen im Trainingslager waren. Am Anfang war ich auch im Hotel, aber seit gut zwei Wochen bin ich in einer Wohnung und das passt gut. Ich fühle mich sehr wohl. Was die Unterschiede zwischen Rapid und Werder betrifft: Da gibt es natürlich schon einige. Mir gefällt wahnsinnig gut, dass hier alles in einem Komplex ist: Das Stadion, das Trainingszentrum. Wir frühstücken hier und essen zu Mittag. Außerdem haben wir den Kraftraum direkt nebenan. Das war in Wien anders. Und die Städte sind natürlich auch ganz unterschiedlich. Insgesamt fühle ich mich sehr wohl.
Es gibt eine große österreichische Tradition bei Werder. Im aktuellen Kader stehen neben Ihnen noch Zlatko Junuzovic und Florian Grillitsch. Wie haben die beiden Ihnen bei Ihrem Start geholfen?
Die ganze Mannschaft hat mir geholfen. Ich brauche da jetzt keinen hervorzuheben. Das gesamte Team hat es mir sehr einfach gemacht, dass ich mich gut einleben kann und gleich in die Mannschaft hineinfinde. Aber natürlich verstehe ich mich mit Juno und Grillo sehr gut.
Früher lief Andi Herzog im grün-weißen Trikot auf, auch Sebastian Prödl hat sich in Bremen einen Namen gemacht. Haben Sie die die Karrieren der beiden an der Weser verfolgt?
Natürlich hat man Werder immer beobachtet, wenn da Österreicher gespielt haben. Ich habe mitbekommen, was Ende der letzten Saison mit den Fans hier los war. Mit Sebastian Prödl habe ich nach meinem Wechsel geredet. Er kommt wie ich aus der Steiermark, ist damals von Sturm zu Werder gegangen. Damals habe ich noch in der Jugend bei Sturm gespielt. Anschließend habe ich natürlich seinen Weg bei Werder verfolgt. Allerdings haben wir uns erst im November beim Nationalteam richtig kennengelernt.
Hat Sie die denn die österreichische Tradition bei Werder in Ihrer Entscheidung beeinflusst?
Es muss dann jeder für sich selbst entscheiden, was der richtige Weg ist. Im Endeffekt bin ich nicht zu Werder gewechselt, weil hier viele Österreicher gespielt haben. Das war nicht der Hauptgrund.
Im Sommer erreichten Sie auch andere Angebote. Was gab den Ausschlag für Werder? Bestand schon länger Kontakt?
Sehr lange bestand eigentlich nicht Kontakt, aber die Gespräche mit Frank Baumann und Viktor Skripnik haben mich von Anfang an überzeugt. Werder kennt man als Österreicher. Da braucht man nicht allzu lang zu überlegen (…). Ich bin überzeugt, dass dies der richtige Schritt für mich ist.
Für Sie persönlich läuft es zu Beginn der Saison noch nicht so rund. Wo sehen Sie die Ursachen?
Ich glaube, ich brauche einfach noch etwas Zeit, um mich an alles zu gewöhnen. Es ist doch eine große Umstellung. Ich versuche natürlich, mich im Training immer anzubieten und muss zurzeit noch auf meine Chance warten. Wenn die sich bietet, muss ich da sein. Wichtig ist, dass wir als Mannschaft in die Spur finden, weil der Start doch schlecht war. Wir müssen punkten, das steht an erster Stelle. Ich persönlich versuche natürlich, mich im Training aufzudrängen, damit ich meine Einsatzzeiten bekomme und der Mannschaft helfen kann.
Bei Rapid haben Sie als Linksaußen überzeugt und sich für viele Klubs empfohlen. Sehen Sie sich ausschließlich auf dieser Position oder sind Sie flexibel?
Rechtsaußen kann ich auch spielen. Ich habe damals auf der rechten Seite angefangen, aber dann bei Sturm und Rapid immer auf links gespielt. Es kommt auch auf das System an. Ich glaube, dass ich auch ein bisschen zentraler spielen kann.
Sie haben ein starkes Dribbling und einen guten rechten Fuß. Wo sehen Sie Ihre weiteren Stärken und an welchen Schwächen müssen Sie noch arbeiten?
Stärken zu beschreiben ist immer etwas schwierig, aber ich denke, dass ich relativ beidfüßig bin und ein gutes Spielverständnis habe. Ich bin ein guter Kombinationsspieler. Zu den Schwächen zählt auf jeden Fall mein Kopfballspiel in der Offensive. Man sieht das daran, dass ich noch kein einziges Kopfballtor gemacht habe. Außerdem mache ich insgesamt noch zu wenige Tore. Letzte Saison habe ich extrem viele Assists gehabt (19, d. Red.), aber hatte oft nicht genug Zug zum Tor. Daran muss ich arbeiten. Und klar, das defensive Zweikampfverhalten kann man immer verbessern. Prinzipiell gibt es in meinem ganzen Spiel noch Luft nach oben.
Anderes Thema: Gestern hat der Transfermarkt in den internationalen Topligen seine Pforten geschlossen. Die Premier League investierte rund 1,4 Milliarden in neue Spieler, die Bundesliga ungefähr 545 Millionen. Was sagen Sie zu solchen Summen?
Es hat sich in den letzten Jahren so entwickelt, dass die Transfersummen immer höher werden. Natürlich hört sich das immer extrem viel an, aber wenn man dann hört, dass die Transferausgaben durch Trikotverkäufe wieder eingespielt werden, relativiert sich das. Klar findet man es als neutraler Beobachter ein wenig komisch, wenn ein Pogba für 100 Millionen oder noch mehr wechselt. Ich finde trotzdem, dass der Fußball immer noch im Vordergrund steht. (…).
Sie selbst kamen als stärkster Offensivspieler der österreichischen Bundesliga für kolportierte 3,5 Millionen. Ein marktgerechter Preis in Ihren Augen?
Das sollen andere beurteilen.
Apropos Transfermarkt: Mit Serge Gnabry ist kurz vor Toresschluss ein weiterer Spieler für Ihre Lieblingsposition gekommen. Der Kampf um einen Stammplatz wird nun noch härter. Wie bewerten Sie die neue Situation?
Ich finde, er ist ein sehr guter Einkauf für Werder. Er kann uns vor allem mit seiner Schnelligkeit weiterhelfen. Weil er über das Tempo kommt, ist er auch ein etwas anderer Spieleryp als ich. Konkurrenzkampf ist immer gut, dem muss ich mich sowieso stellen. Wie schon gesagt muss ich schauen, dass ich mich im Training anbiete und zu meinen Einsatzzeiten komme. Was Serge betrifft, hoffe ich, dass er so schnell wie möglich in die Mannschaft reinfindet, dass wir ihn gut aufnehmen und er sofort seine Leistung bringen kann.
Das Pokalaus gegen Lotte und das 0:6 bei den Bayern haben die Alarmglocken schrillen lassen. Wieso schafft Werder frühzeitig den Sprung aus der Abstiegszone?
Wir müssen jetzt einfach zusammenhalten und als Team zusammenstehen. Wir kommen da nur gemeinsam raus. Krise ist das falsche Wort, weil es im Endeffekt nur zwei Spiele waren. Doch vor allem das Pokalaus war extrem bitter und gegen Bayern darf man auch nicht 6:0 verlieren. Aber bin auf jeden Fall überzeugt von unserer Qualität. Wir haben gute Spieler, eine gute Mannschaft und ein gutes Trainerteam. Wir müssen jetzt gucken, dass wir so schnell wie möglich in die Spur finden. Ich bin sehr positiv eingestellt.
Am kommenden Sonntag trifft Werder auf den FCA, der ebenfalls mit null Punkten gestartet ist. In Ihren Augen bereits ein richtungsweisendes Spiel?
Wir müssen jetzt schauen, dass wir diese Partie 100 Prozent positiv angehen und gemeinsam einen Sieg wollen. Wir brauchen mal wieder ein positives Erlebnis. Das ist für uns ein extrem wichtiges Spiel. Aber es ist auch erst der zweite Spieltag. Nach zwei Partien kann man noch nicht so viel sagen. Aber klar: Wir wollen unbedingt gewinnen.
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