WM-Spezial – die Teams im FT-Check: Frankreich

Frankreich und Weltmeisterschaften: In den vergangenen Jahren war das eine einzige Berg- und Talfahrt. Mal stand man ganz oben, zuletzt aber auch ganz unten. Setzt sich dieser Trend fort, dürften die Fans der ‚Équipe Tricolore‘ in diesem Jahr einiges zu feiern haben.

von Alexander Moritz
7 min.
Frankreich @Maxppp

Die letzten Weltmeisterschaften waren für Frankreich ein wahres Auf und Ab. Auf den Weltmeistertitel 1998 im eigenen Land folgte in Japan und Südkorea 2002 das frühe Aus in der Vorrunde, während man 2006 in Deutschland wieder das Finale erreichte, dabei aber denkbar knapp an Italien scheiterte (4:6 nach Elfmeterschießen).

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Das Fiasko von Knysna

Negativer Höhepunkt war die letzte Weltmeisterschaft, an die ganz Frankreich katastrophale Erinnerungen haben dürfte. Nach Streitigkeiten zwischen Trainer Raymond Domenech und Nicolas Anelka, die im Rauswurf des Angreifers und einem solidarischen Streik der Mannschaft endeten, musste die ‚Équipe Tricolore‘ als Tabellenletzter frühzeitig abreisen. Am Ende beschäftigte sich sogar der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy mit dem Fall, der in den französischen Medien als ‚Fiasko von Knysna‘ in die Geschichte eingegangen ist – benannt nach dem Ort am Westkap Südafrikas, an dem die Franzosen während der WM ihre Zelte aufgeschlagen hatten.

Die Qualifikation für die diesjährige Weltmeisterschaft verlief ebenfalls nicht reibungslos, was in diesem Fall allerdings einzig und allein den Leistungen auf dem Platz zuzuschreiben ist. In der einzigen Fünfer-Gruppe mit Welt- und Europameister Spanien sowie Finnland, Georgien und Weißrussland zog man hinter den Spaniern den Kürzeren und musste den Umweg über die Playoffs nehmen.

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Zitterpartie gegen die Ukraine

Dort wartete mit der Ukraine ein äußerst unangenehmer Gegner auf die Elf von Didier Deschamps. Das Hinspiel in Kiew lief dann auch gar nicht nach dem Geschmack der Franzosen: Die Ukrainer gingen hochmotiviert zu Werke und rangen den Favoriten mit 2:0 nieder. Vor dem Rückspiel im Stade de France lagen die Nerven also wieder einmal blank bei den ‚Blauen‘, doch es sollte ein denkwürdiger Abend für die Gastgeber werden. Mamadou Sakho und Karim Benzema egalisierten bereits nach einer guten halben Stunde das Hinspielergebnis und als auf Gästeseite Yevhen Khacheridi vom Platz flog (47.), war der dritte Treffer nur noch eine Frage der Zeit. Innenverteidiger Sakho erlöste das bangende französische Fußballvolk schließlich in der 72. Minute, als er eine Ribéry-Hereingabe über die Linie bugsierte. Die WM-Qualifikation war geschafft, ‚Les Bleus‘ noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.

In den Freundschaftsspielen danach präsentierte sich Frankreich in ansteigender Form. So konnte man Anfang März die Niederlande mit 2:0 bezwingen. Nicht so gut lief dagegen die Südamerika-Reise der ‚Équipe Tricolore‘ vor rund einem Jahr, bei der Frankreich in Uruguay (0:1) und Brasilien (0:3) zwei Niederlagen kassierte. Die Franzosen schienen dabei – wie von vielen europäischen Teams befürchtet – mit den Temperaturen nicht besonders gut zurechtzukommen.

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Kader fehlt es an Breite

Der französische Kader ist in diesem Jahr vor allen Dingen in der Breite nicht gut aufgestellt. Die erste Elf aber genügt an guten Tagen immer noch internationalen Ansprüchen. Coach Deschamps lässt bevorzugt in einem 4-2-3-1-System eher defensiverer Prägung spielen. In der Angriffsbewegung lastet vor allem auf den Außenbahnspielern Valbuena und Ribéry eine große Verantwortung. Sie müssen Stoßstürmer Benzema einsetzen, der ohne brauchbare Zuspiele immer wieder abtaucht. Einleiten soll die Angriffe der spielstarke Pogba. Die Defensivspieler schalten sich hingegen nur selten nach vorne ein.

Für Aufsehen sorgte die Nicht-Nominierung von Samir Nasri, der bei Manchester City eine starke Saison spielte, in der Nationalmannschaft aber häufig durch Disziplinlosigkeiten aufgefallen war. Didier Deschamps verzichtete daher – sicherlich auch in Erinnerung an den Skandal 2010 – bei seinem ersten Turnier als Nationalcoach auf den 26-Jährigen. „Ich habe nicht unbedingt die besten Spieler berufen, sondern die, mit denen ich die beste Gruppe auf die Beine stellen kann“, sagte Deschamps im Anschluss an die Bekanntgabe seines Kaders vieldeutig. Nasris Freundin reagierte auf diese Entscheidung per Twitter – gelinde gesagt – mit Unverständnis: „Fuck Frankreich und fuck Deschamps. Was für ein beschissener Trainer.“ Deschamps konterte diesen Wutanfall mit einer Anzeige wegen Beleidigung. Auch Éric Abidal ist trotz einiger Einsätze in der Qualifikation nicht dabei. Verzichten muss Frankreich zudem auf seine etatmäßige Nummer zwei im Tor: Steve Mandanda zog sich im letzten Saisonspiel von Olympique Marseille einen Bruch des ersten Halswirbels zu, für ihn rückt St. Etiennes Stéphane Ruffier in den Kader.

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Trend wird sich nicht fortsetzen

Glaubt man dem Achterbahn-Trend bei vergangenen Weltmeisterschaften, so ist mit den Franzosen nach dem Totalausfall 2010 dieses Mal wieder zu rechnen. Tatsächlich hat Frankreich hat in der Gruppe E mit den Konkurrenten Honduras, Ecuador und der Schweiz eine realistische Chance auf das Weiterkommen. Wird aber auch nur einer der Gegner unterschätzt und die eigene Leistung nicht zu hundert Prozent abgerufen, könnte die ‚Équipe Tricolore‘ wieder Probleme bekommen. Ganz so hoch hinaus wie 1998 und 2006 wird es für ‚Les Bleus‘ in diesem Jahr definitiv nicht gehen. Spätestens im Viertelfinale, wenn ein Duell mit Deutschland droht, ist für Frankreich Endstation.

Die Stars

Paul Pogba (21/Juventus Turin): Der flexibel einsetzbare Mittelfeldspieler hat sich in seinem zweiten Jahr in Turin zum unumstrittenen Stammspieler entwickelt. Der 21-Jährige geht auf dem Platz weite Wege, ist überall zu finden und schaltet sich auch gerne in die Offensive ein. Mit strammen Schüssen aus der zweiten Reihe sorgt er so immer wieder für Torgefahr. Für Juventus erzielte Pogba in den vergangenen zwei Jahren zwölf Treffer in der Serie A.

Franck Ribéry (31/Bayern München): Wieder einmal lastet auf Franck Ribéry der Druck, für sein Heimatland die Kohlen aus dem Feuer zu holen. In Frankreich ist er aufgrund seiner Beteiligung am ‚Fiasko von Knysna‘ und der Vorwürfe, eine Minderjährige für Sex bezahlt zu haben, nicht besonders hoch angesehen. Seinen Leistungen in München – und zuletzt auch im Nationalteam – hat das aber nicht geschadet. Nach der verpassten Wahl zum Weltfußballer des Jahres konnte Ribéry allerdings nicht mehr an die starken Leistungen der Hinrunde, in der ihm noch sieben Tore und neun Assists gelangen, anknüpfen.

Karim Benzema (26/Real Madrid): Mit 19 Treffern im Dress der ‚Équipe Tricolore‘ klopft Karim Benzema so langsam an die Top Ten der erfolgreichsten Torschützen der französischen Nationalmannschaft an. Bei Real Madrid hat der Stürmer eine erfolgreiche Spielzeit hinter sich. In 35 Einsätzen netzte der in Lyon geborene Sohn algerischer Einwanderer 17 Mal ein. Kein Wunder also, dass von seiner Trefferquote auch Frankreichs Abschneiden bei dieser Weltmeisterschaft abhängen wird. Dass er dabei aber auf die Zuspiele seiner Kollegen angewiesen ist, ist ebenfalls kein Geheimnis.

Die mögliche Aufstellung

Frankreich

Das WM-Aufgebot

Tor: Mickaël Landreau (SC Bastia), Hugo Lloris (Tottenham Hotspur), Stéphane Ruffier (AS St. Etienne)

Abwehr: Mathieu Debuchy (Newcastle United), Lucas Digne (Paris St. Germain), Patrice Evra (Manchester United), Laurent Koscielny (FC Arsenal), Eliaquim Mangala (FC Porto), Bacary Sagna (FC Arsenal), Mamadou Sakho (FC Liverpool), Raphaël Varane (Real Madrid)

Mittelfeld: Yohan Cabaye (Paris St. Germain), Clément Grenier (Olympique Lyon), Blaise Matuidi (Paris St. Germain), Rio Mavuba (OSC Lille), Paul Pogba (Juventus Turin), Franck Ribéry (Bayern München), Moussa Sissoko (Newcastle United), Mathieu Valbuena (Olympique Marseille)

Angriff: Karim Benzema (Real Madrid), Olivier Giroud (FC Arsenal), Antoine Griezmann (Real Sociedad San Sebastian), Loïc Rémy (Newcastle United)
*Gruppe A:




Gruppe B:

Gruppe C:

Gruppe D:

Gruppe E

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