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WM-Spezial – die Teams im FT-Check: Bosnien-Herzegowina

Erstmals seit der Unabhängigkeit 1992 tritt Bosnien-Herzegowina bei einer Fußball-Weltmeisterschaft an. Mit großem Offensiv-Potenzial und dank Zusprache von Fortuna bei der Gruppen-Auslosung, ist Bosnien das Achtelfinale, womöglich sogar das Viertelfinale, durchaus zuzutrauen.

von Lukas Heimbach
7 min.
@Maxppp

Bosnien Herzegowina ist in Brasilien der einzige Neuling im 32er Feld der Fußball-Weltmeisterschaft 2014. Seit der Unabhängigkeit vom ehemaligen Jugoslawien am 1. März 1992 ist die Teilnahme an der WM-Endrunde der größte sportliche Erfolg in der noch vergleichsweise überschaubaren Historie des jungen Landes. Zeitgleich mit der Unabhängigkeit wurde auch der bosnische Fußballverband NFSBIH gegründet, der seit 1996 Mitglied der FIFA, seit 1998 der UEFA ist.

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Seit 1998 scheiterten die ‚Zmajevi‘ jedoch ausnahmslos an der Qualifikation zu den großen Turnieren. Vor zwei Jahren war man drauf und dran endlich den Sprung zur Europameisterschaft in Polen und der Ukraine zu packen. In den Playoff-Spielen scheiterte Bosnien-Herzegowina jedoch an Portugal. „Nach der Niederlage gegen Portugal war die Enttäuschung riesig. Aber dieser Rückschlag schweißte uns als Mannschaft zusammen. Wir schworen uns, beim nächsten Mal die Chance mit aller Macht zu ergreifen“, erinnert sich Bundesligaprofi Sejad Salihovic in ‚11Freunde‘. Geschworen, getan, qualifizierte sich der Balkan-Staat als Gruppensieger in der WM-Qualifikation für Brasilien.

Punkgleich mit Griechenland, aber aufgrund des deutlich besseren Torverhältnisses (+24 / +8) lösten die ‚Drachen‘ im letzten Qualifikationsspiel gegen Litauen das Ticket für den Zuckerhut. „Das entscheidende Qualifikationsspiel gegen Litauen war jedoch ein echter Kampf. Man spürte, dass die Litauer unseren Traum um jeden Preis zerstören wollten. In der 68. Minute erzielte Vedad Ibisevic das erlösende 1:0, es brachen alle Dämme“, fährt der Scharfschütze der TSG Hoffenheim fort. Slowakei (13 Punkte), Litauen (11), Lettland (8) und Liechtenstein (2) ließ man in Gruppe G deutlich hinter sich. Allerdings durfte sich der WM-Neuling auch nicht gerade über fehlendes Losglück beschweren. Ebenso wie bei der Ziehung der Gruppen im Dezember für Brasilien.

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Sicherlich ist Argentinien klarer Favorit in WM-Gruppe F, mit Nigeria und dem Iran trifft Bosnien aber auf zwei Kontrahenten, die man durchaus hinter sich lassen und gleich bei der ersten Teilnahme ins Achtelfinale einziehen könnte. Die Freude über das Erreichen der Weltmeisterschaft war im bürgerkriegsgeplagten Land grenzenlos. „Im Anschluss flogen wir nach Sarajevo. Im Flugzeug trugen manche Spieler Sombreros, es wurde getrunken, getanzt, und einige sangen bis zur Ankunft durch. Eine unglaubliche Party, die niemand je vergessen wird“, blickt Salihovic in freudiger, fast wehmütiger Erinnerung zurück, „auch wenn ich an den Empfang in unserer Heimat denke, bekomme ich eine Gänsehaut. Nie zuvor habe ich so viele Menschen so glücklich gesehen. Doch in der Liebe der Menschen steckt auch eine große Verantwortung für uns.

Starke Offensive mit brillanten Scharfschützen

Von der Qualität her sind die ‚Zmajevi‘ durchaus für eine Überraschung in Brasilien gut. Insbesondere in der Offensive verfügen sie über sehr großes Potenzial. Star des Teams ist der Ex-Wolfsburger und jetzige Manchester City-Stürmer Edin Dzeko. Wenngleich der 28-Jährige bei den ‚Citizens‘ nicht immer erste Wahl ist, gehört er nach wie vor zu den Superstars auf der globalen Torjäger-Bühne.

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Geprägt wird die Mannschaft von Coach Safet Susic primär von erfahrenen Bundesligaspielern. Die Viererkette besteht (von rechts nach links) mit Mensur Mujdza (SC Freiburg), Ermin Bicakcic (bald TSG Hoffenheim), Kapitän Emir Spahic (Bayer Leverkusen) und Sead Kolasinac (FC Schalke 04) ausschließlich aus bundesligaerprobten Akteuren. Allerdings ist fraglich, ob der bei Eintracht Braunschweig überzeugende Bicakcic tatsächlich in der Stammelf stehen wird. In den letzten Tests schenkte Susic meist Toni Sunjic von Sorja Luhansk das Vertrauen.

Im Mittelfeld und Angriff wird sich der Übungsleiter, der als Klub-Trainer vor allem in der türkischen Süper Lig arbeitete, voraussichtlich flexibel am Gegner orientieren. So darf im Auftaktspiel gegen Argentinien ein eher defensiv ausgerichtetes 4-5-1 erwartet werden. Gegen Nigeria und den Iran hingegen setzt der Coach vermutlich auf ein offensiveres 4-4-2 mit Raute und den beiden Top-Stürmer Dzeko und Ibisevic, die in der Quali 18 der 30 Bosnien-Treffer erzielten. Im Mittelfeld wird als Staubsauger Haris Medunjanin (Geziantiepspor) neben Salihovic auflaufen. Zudem sorgen Zvjezdan Misimovic (Guizhou Renhe) und Miralem Pjanic (AS Rom) für weitere Offensiv-Power aus dem Mittelfeld. Im 4-5-1 darf zudem Izet Hajrovic (Galatasaray Istanbul) auf einen Platz spekulieren. Im Test gegen Mexiko erzielte der Youngster das goldene Tor zum 1:0.

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Aussicht

In Gruppe F blickt die ‚Zmajevi‘ sehr positiv auf die Vorrunde. Beim WM-Debüt hat man als Außenseiter gegen Mitfavorit Argentinien nichts zu verlieren. Entsprechend frech, befreit und sicherlich mit einer gepfefferten Portion bosnischer Härte wird das Team von Trainer Susic aufspielen. Holt man gegen die ‚Albiceleste‘ bereits einen Punkt, sind die Chancen auf das Achtelfinale sehr groß. Dennoch muss vor allem gegen Afrikameister Nigeria gepunktet werden. Will man nichts anbrennen lassen, muss gegen die ‚Super Eagles‘ aber ein Dreier her. Gegen den Iran hingegen ist Bosnien auch als Neuling klarer Favorit.

Wir fahren nicht nach Brasilien, um als freundlicher Neuling die Punkte abzuliefern. Wir haben eine gute Mannschaft und wollen die K.O.-Runde erreichen. Von da an ist alles möglich“, lässt Salihovic keine Zweifel an der Entschlossenheit der Balkan-Männer. Prognose: Bosnien-Herzegowina schreibt weiter Sport-Geschichte und zieht ins Achtelfinale ein. Gegen Frankreich, die Schweiz oder Ecuador wäre anschließend sogar das Viertelfinale drin.

Die Stars

Edin Dzeko (28/Manchester City): Felix Magath entdeckte den lang gewachsenen Bosnier einst beim FK Teplice und holte ihn zum VfL Wolfsburg, wofür er mehrfach belächelt wurde. Beim VfL avancierte der 28-Jährige zum Top-Stürmer und wechselte 2011 schließlich zu Manchester City, mit denen er mittlerweile zwei Meistertitel holte. In dieser Saison traf er in 31 Partien wieder starke 16 Mal, obwohl er nicht immer gesetzt war. Dzeko ist Fixpunkt und Zielspieler Nummer eins in Bosniens Offensive. Er vermag es in Weltklasse-Manier den Ball zu behaupten und entweder selbst den Abschluss zu suchen oder seine Teamkollegen in Szene zu setzen.

Miralem Pjanic (24/AS Rom): Der zentrale Mittelfeldspieler absolvierte eine starke Spielzeit bei der ‚Roma‘. Sechs Tore und sechs Vorlagen steuerte der Halb-Luxemburger zum Vizetitel der ‚Giallorossi‘ bei. Insbesondere seine Freistöße zeugen von Extraklasse. Dabei zirkelt der 24-Jährige den Ball bevorzugt mit Vollspann, um ihm den berühmten Magnus-Effekt zu verleihen, was ihm mit erstaunlicher Regelmäßigkeit nahezu in Perfektion gelingt.

Emir Spahic (33/Bayer Leverkusen): Spahic ist fußballerisch wohl nicht mit der Qualität seiner Offensiv-Kollegen gesegnet, ist als Kapitän der ‚Zmajevi‘ jedoch unverzichtbar für Trainer Susic. Der Routinier von Bayer ist gemeinsam mit Dzeko unangefochtener Chef beim WM-Neuling. Wenngleich die beiden zuletzt mit einer Meinungsverschiedenheit die Vorfreude im Team ein wenig trübten. Spahic ist Abwehr-Chef und der erfahrenste Mann im Kader der Bosnier.

So könnten sie spielen

Das WM-Aufgebot

Torwart: Asmir Avdukic (Borac Banja Luka), Asmir Begovic (Stoke City), Jasmin Fezjic (Aalen)

Verteidigung: Muhamed Besic (Ferencvaros), Ermin Bicakcic (Eintracht Braunschweig), Sead Kolasinac (Schalke), Emir Spahic (Bayer Leverkusen), Toni Sunjic (Zorya), Ognjen Vranjes (Elazigspor)

Mittelfeld: Anel Hadzic (Sturm Graz), Izet Hajrovic (Galatasaray), Senijad Ibricic (Erciyespor), Senad Lulic (Lazio), Haris Medunjanin (Gaziantepspor), Zvjezdan Misimovic (Guizhou Renhe), Mensur Mujdza (Freiburg), Miralem Pjanic (Roma), Sejad Salihovic (Hoffenheim), Tino Susic (Hajduk Split), Edin Visca (Istanbul BB), Avdija Vrsajevic (Hajduk Split)

Angriff: Edin Dzeko (Manchester City), Vedad Ibisevic (Stuttgart)




*Gruppe A:

Gruppe B:

Gruppe C:

Gruppe D:

Gruppe E

Gruppe F:

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