WM-Spezial – die Teams im FT-Check: Nigeria

Obwohl Nigeria als amtierender Kontinentalmeister nach Brasilien reist, steht das Turnier unter keinem guten Stern. Intern sorgen Querelen zwischen Spielern und Verband für Unruhen. Es mangelt an schillernden Stars, wie es Okocha oder Kanu in der Vergangenheit waren. Dennoch – wer in Afrika den Titel holt, darf keinesfalls unterschätzt werden.

von Lukas Heimbach
6 min.
Keeper Vincent Enyeama ist der Star der Super Eagles @Maxppp

Atlanta. Sanford Stadium. Olympische Spiele 1996. Wir schreiben den 3. August 1996. Das Überraschungsteam aus Nigeria schlägt das favorisierte Argentinien um Stars wie Hernán Crespo, Javier Zanetti oder Diego Simeone im Olympischen Finale mit 3:2. Hauptprotagonisten auf Seiten der Westafrikaner damals waren spätere Größen wie Jay-Jay Okocha, Nwankwo Kanu und Sunday Oliseh.

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Von da an sorgten die Spieler des frisch gebackenen Olympiasiegers in der Fußballwelt für Furore. Okocha mischte bei Eintracht Frankfurt die Bundesliga und insbesondere Oliver Kahn auf, Kanu die Serie A (Inter Mailand) und die Premier League (FC Arsenal). Der berüchtigte Okocha-Trick wurde auf Hinterhöfen, Bolzplätzen und in Stadien nachgeFahmt und düpierte verdutzte Gegenspieler.

Derart schillernde Stars gehen den ‚Super Eagles‘ anno 2014 ab. Spieler wie Obi Mikel oder Emmanuel Emenike haben bei weitem nicht die Stahlkraft und insbesondere die Qualität dieser ehemaligen glorreichen Generation. Der Star der Afrikaner steht dieser Tage im Kasten. Vincent Enyeama ist der aktuell beste Keeper des Kontinents und womöglich auch der Ligue 1. Schon vor vier Jahren wurde er trotz der 0:1-Niederlage gegen Argentinien, auf das Nigeria auch diesmal in der Gruppenphase trifft, zum ‚Man of the match‘gewählt, nachdem er quasi im Privat-Duell mit Lionel Messi diverse Male seine Extraklasse unter Beweis stellen konnte.

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Als Afrikameister nach Brasilien

Immerhin reist das Team von Trainer Stephen Keshi als amtierender Kontinentalsieger an den Zuckerhut. Im Viertelfinale ließ man die favorisierten Ivorer mit 2:1 hinter sich. Anschließend schaltete Nigeria Mali mit 4:1 aus, ehe der Titel letztlich mit einem 1:0-Sieg über Burkina Faso in das rund 170 Millionen Einwohner starke westafrikanische Land ging.

In der CAF-Qualifikation für Brasilien qualifizierten sich die ‚Adler‘ souverän für das Playoff-Spiel. Mit Malawi, Kenia und Namibia musste Nigeria allerdings auch nicht die ganz großen Kontrahenten aus dem Weg räumen. Zumal drei Siege und drei Unentschieden bei 7:3-Toren in diese Gruppe auch nicht gerade ein Sonderlob verdient haben. Auch bei den Playoff-Losungen hatte Nigeria Glück. Mit Äthiopien bekam der Olympiasieger von 1996 ein Fußball-Leichtgewicht zugelost. In Addis Abeba siegte die Elf von Trainer Keshi mit 2:1. Doppeltorschütze war Emenike. Zu Hause gab es einen ungefährdeten 2:0 Sieg. Die Namensvettern Victor Moses und Obinna markierten die Treffer für die ‚Super Egales‘

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Problemzone Nigerias ist die Abwehrkette um Kapitän Joseph Yobo. Der 33-jährige Routinier selbst ist längst nicht mehr in der Form vergangener Tage beim FC Everton. Bei Stoke City spielte er eine enttäuschende Saison, wenn Yobo denn überhaupt zum Einsatz kam. Die Abwerreihe wirkt häufig unsortiert, oft vogelwild und neigt immer wieder zu Aussetzern und konzentrationsbedingten Patzern. Während Elderson Echiéjilé von der AS Monaco auf links noch internationale Klasse ausstrahlt, ist allen voran Rechtsverteidiger Efe Ambrose von Celtic Glasgow ein ständiger Gefahrenherd für seine eigenen Mitspieler.

Taktisch wird Nigeria versuchen, seine Stärken bestmöglich auszuspielen. Im Mittelfeld möglichst kompakt stehen und bei Ballgewinn schnell umschalten – wie es nahezu jeder Außenseiter versuchen wird. Mit dem Unterschied, dass diese taktische Marschroute auch das nigerianische Erfolgsrezept beim Afrika-Cup war. Insbesondere in der Mittelfeldzentrale verfügen die Westafrikaner zwar nicht über sonderlich kreative, dafür aber äußerst passsichere und laufstarke Akteure.

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Egoismen innerhalb der Mannschaft oder im Wechselspiel zwischen Spielern, Trainern, Funktionären und womöglich auch Politikern sorgen immer wieder für äußerst unnötige Unruhen – gerade vor wichtigen Turnieren. Antipathien und Zwist um Prämienzahlungen sind nicht nur einmal Grund dafür gewesen, dass man den hohen Ambitionen letztlich nicht gerecht werden könnte. Auch in Brasilien deutet sich an, dass Querelen abseits des Rasens das Mannschaftgefüge empfindlich stören könnten.

Aussicht

Favorit in Gruppe F ist Argentinien – so viel ist allen klar. Nigeria wird sich vor allem mit WM-Neuling Bosnien-Herzegowina um den Platz fürs Achtelfinale duellieren. Zunächst muss zum Auftakt gegen Außenseiter Iran zwingend gewonnen werden. Am 21. Juni steigt gegen die Balkan-Europäer anschließend das wohl wichtigste Spiel für die ‚Super Eagles‘. Gewinnt man die Schlüsselpartie, können die emotionalen Nigerianer womöglich auf einer Euphoriewelle getragen auch über das Achtelfinale hinaus auf sich aufmerksam machen. Prognose: Die ‚Super Eagles‘ streichen nach der Gruppenphase die Segel. Bosnien-Herzegowina ist willensstärker und disziplinierter als die Westafrikaner.

Die Stars

Emmanuel Emenike (27/Fenerbahce Istanbul): Für 13 Millionen Euro wechselte der Sturmtank vor der Saison von Spartak Moskau zu Fenerbahce Istanbul. Mit 13 Toren und neun Vorlagen konnte er diese Summe aber gleich in seiner Premierensaison rechtfertigen und trug großen Anteil am Meistertitel seines neuen Klubs. Der Mittelstürmer ist der gefährlichste Angreifer Nigerias, ist aber vor allem auf Zuspiele von Flügelflitzer Victor Moses angewiesen, der für Kreativität im Offensiv-Spiel der ‚Adler‘ verantwortlich ist.

John Obi Mikel (27/FC Chelsea): Während Mikel an der Stamford Bridge vornehmlich die mit Defensiv-Aufgaben betraut ist und das Spiel des Gegners zerstören soll, ist er in der Nationalmannschaft Chef-Stratege. Der 27-Jährige spielte in dieser Saison unter José Mourinho jedoch kaum eine Rolle. Umso wichtiger ist seine Führungsrolle unter Coach Keshi. Glanzleistungen in puncto Spielwitz und -idee darf man vom Defensiv-Akteur jedoch nicht ewarten.

Vincent Enyeama (31/OSC Lille): Enyeama ist der Star im WM-Kader Nigerias – womöglich der einzige, ohne aber international wirklich einmal groß in Erscheinung getreten zu sein. Er ist der derzeit beste Torwart Afrikas und vergangene Saison sicherlich auch der französischen Ligue 1. 1062 Minuten in Folge hielt er für Lille die Null fest. 115 hätten gefehlt, dann hätte der hochgläubige 31-Jährige den 1992/93 aufgestellten Ligue 1-Rekord von Gaëtan Huard gebrochen. Mehrfach wurde er in der abgelaufenen Spielzeit zum ‚Spieler des Monats‘ gekürt. Ein Weiterkommen wird vor allem von seiner Form abhängen. Zuletzt soll er im Training sogar Freistöße trainiert haben. José Luis Chilavert und Rogerio Ceni lassen grüßen.

So könnten sie spielen

Das WM-Aufgebot

Tor: Vincent Enyeama (OSC Lille), Austin Ejide (Hapoel Be'er Scheva/Israel), Chigozie Agbim (Gombe United)

Abwehr: Elderson Echiejile (AS Monaco), Juwon Oshaniwa (MS Ashdod), Godfrey Oboabona (Caykur Rizespor), Azubuike Egwuekwe (FC Warri Wolves), Kenneth Omeruo (FC Middlesbrough), Joseph Yobo (Norwich City), Kunle Odunlami (Sunshine Stars), Efe Ambrose (Celtic Glasgow)

Mittelfeld: John Mikel Obi (FC Chelsea), Ogenyi Onazi (Lazio Rom), Ramon Azeez (UD Almeria), Michael Uchebo (Cercle Brügge), Reuben Gabriel (KV Red Star Waasland-Beveren)

Angriff: Ahmed Musa (ZSKA Moskau), Shola Ameobi (Newcastle United), Emmanuel Emenike (Fenerbahce), Peter Odemwingie (Stoke City), Michel Babatunde (Volyn Lutsk/Ukraine), Victor Moses (FC Liverpool), Uche Nwofor (SC Heerenveen)





*Gruppe A:

Gruppe B:

Gruppe C:

Gruppe D:

Gruppe E

Gruppe F:

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